Um ihr damaliges, neues Circarama-Format in Italien bekannt zu machen, produzierten die Walt Disney Studios den kurzen Dokumentarfilm ITALIA ’61 IN CIRCARAMA, der von Norden nach Süden die schönsten Flecken und Touristenmagnete des Landes präsentiert. Für Lavagnino die Gelegenheit, seine Heimat mit grossem Orchester facettenreich und im besten Licht zu präsentieren. Die rund 20 Minuten Musik sind in drei längere Tracks zusammengefasst und können mit ihrem konzertanten Charakter praktisch als Tongedicht bezeichnet werden. Die Titel «From the Alps to the Sea», «Driving through Italian Cities» und «Italia 61» erwecken gewisse Erwartungen, und diese werden auf wunderbare, dem Komponisten eigene Weise auch erfüllt. Imposante Landschaften und Naturschauspiele entstehen vor dem inneren Auge ebenso wie geschäftige Städte. Immer wieder schimmert auch die von Stolz und Leidenschaft geprägte italienische Seele durch. Natürlich dürfen einige landestypische Elemente wie Mandolinen und Tarantella nicht fehlen, die für zu Herzen gehende Folklore und Temperament sorgen. Während des ausgedehnten, triumphalen Finales wird dann gar «Fratelli d’Italia» ‒ die italienische Nationalhymne ‒ angespielt, und das dürfte auch bei Nichtitalienern für patriotische Gefühle sorgen.
Bei CALYPSO von 1958 handelt es sich ‒ wie schon bei früheren, von Lavagnino vertonten Streifen wie L’ULTIMO PARADISO ‒ um eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm mit Laiendarstellern. Und wie bei anderen Gelegenheiten begab sich der Komponist zusammen mit der Filmcrew an die Drehorte, die sich in diesem Fall auf den Antillen befanden. Dort liess er sich von der heimischen afro-karibischen Volksmusik inspirieren und einige derer lebensfrohen Weisen in seinen sinfonischen und mit Chören und bunten Rhythmusinstrumenten angereicherten Score einfliessen.
Nach einem humorvollen Auftakt mit verschmitzten, gedämpften Trompeten enthalten «The Cock and the Hen» und «Cutting the Sugarcane» bereits typisch karibisches Feeling, während in «Peter and Resy ‒ Love Scene at Night» das Liebesthema seine Aufwartung in Form einer bekannten Melodie macht, die man etwa auch von Mr. Acker Bilks «Fancy Pants» oder Roland Kaisers «Sieben Fässer Wein» her kennt. Hier fungiert sie aber mit ihren vielen Stimmungswechseln als eigentliches Hauptthema, und Lavagnino lässt es sich nicht nehmen, sie in «Engagement Ceremony ‒ Resy throws her Dress into the Sea» durch eine kleine Pfeifeinlage seinerseits zum Besten zu geben.
In «Dance School» kommt durch einen Walzer europäische Eleganz zu Gehör, «The two adopted Indian Children» berührt mit einem wehmütigen, Einsamkeit suggerierenden Thema für Soloflöte und Streicher. «Nightclub Dance ‒ Resy gets disillusioned» präsentiert das Liebesthema in einer Jazzversion; ein sorgloser Moment zwischen den Tracks «Thunderstorm» und «The Funeral ‒ after the Cockfight», wo Schatten über das vermeintliche Paradies fallen. Der Score wird mit dem im Film nicht verwendeten «Christmas Bells» auf ungewöhnliche Weise abgeschlossen, darauf folgen noch einige Bonus-Tracks mit Jazz-, Marschmusik- und Karnevalstücken, die zwar wie authentische Sourcemusik klingen, aber alle aus der Feder von Lavagnino stammen.
Die beiden Filme mögen im Laufe der Zeit zwar der Vergessenheit anheimgefallen sein, ihren Scores bleibt dieses Schicksal dank dieser ganz passabel klingenden CD aber glücklicherweise und völlig zu Recht erspart. Denn sie sind viel zu gut und liebenswert, um in irgend einem Archiv vor sich hinzudämmern, und sie stehen Alhambras stets wachsender Lavagnino-Sammlung demzufolge sehr gut an.
Andi, 13.4.2019
CALYPSO / ITALIA '61 IN CIRCARAMA
Angelo Francesco Lavagnino
Alhambra Records A9048
61:03 Min.
23 Tracks
Limitiert auf 350 Stk.