Es gibt wenige dieser «Supergruppen», die sich so lange und anhaltend als solche bezeichnen können. Queen ist ohne Zweifel eine davon. BOHEMIAN RHAPSODY erzählt in 134 Minuten in kurzen Anschnitten wie es zu der Band kam, von ihren ersten Erfolgen, den unvergesslichen Hymnen und Auftritten – und natürlich von der Galionsfigur Freddie Mercury. Der Film sieht super aus, ist eine visuelle Augenweide, klingt bombastisch und dürfte bei einigen Queen Fans jetzt schon Kultstatus geniessen. Bei einigen? Nicht nur unter Queen-Kennern auch in den Gazetten waren teils negative Kommentare zu hören und zu lesen.
Rami Malek, Sohn einer Einwandererfamilie, wie es Freddie Mercury auch war, macht seine Sache oft brillant, vielleicht ein bisschen zu arg gewollt hie und da. Mercury war definitiv eine schillernde Figur, doch richtig in die Tiefe blicken lässt Bryan Singers Film weder bei seinem starken Hauptcharakter noch insgesamt als Musikerfilm. Manchmal wird kurz gestreift, wo mehr Fleisch am Knochen gewesen wäre. Da wo man gerne mehr über die Protagonisten erfahren hätte, schreitet BOHEMIAN RHAPSODY zügig voran und springt von Highlight zu Highlight. Wie sagte ein österreichischer Kollege während der Oscar-Verleihung so passend? Die Konzertausschnitte, ikonische Momente wie das Video zu «I Want to Break Free», sind hervorragend umgesetzt, handwerklich gibt es wirklich kaum was zu meckern, doch das was dazwischen ist, vermag nicht zu überzeugen.
Ganz so weit möchte ich nicht gehen, aber in eine ähnliche Richtung. An einen THE DOORS, CRAZY HEART oder INSIDE LLEWLYN DAVIS kommt BOHEMIAN RHAPSODY nicht heran, dazu fehlt es dem Film an der nötigen Substanz. Der Austausch unter den Bandmitgliedern wird ebenso knapp behandelt wie Freddies innere Zerrissenheit, dazu reichen die verbleibenden der insgesamt 134 Minuten einfach nicht aus. Wer weiss wie sehr die einstigen Bandkollegen Brian May und Roger Taylor hier die Hand draufhatten? Wie man weiss, stieg der erste Regisseur Stephen Frears wegen kreativen Differenzen u.a. mit May und Taylor aus dem Projekt aus, ebenso wie Sacha Baron Cohen – und ein Drehbuchentwurf wurde verworfen, der deutlich mehr von Mercury und auch dessen Solokarriere beleuchtet hätte. Unbestreitbar ist der Film an einigen Stellen äusserst ungenau oder schlicht unwahr, Kenner von Queen dürften einige Mal die Nase gerümpft und die Augen zugekniffen haben.
So ist BOHEMIAN RHAPSODY eben was er ist. Schöne Postkartenmotive mit etwas blutleerem Grusstext. Dennoch kann man den Film geniessen und in guten alten Zeiten schwelgen, als erfolgreiche Musik noch handgemacht war. Gleichzeitig wundert sich der Filmfan darüber, wie mühsam scheinbar Bryan Singers Auftreten gewesen sein muss, bis zu dem Moment wo Fox ihn entliess und es mitunter Komponist und Editor John Ottman zu verdanken war, dass der Film in der post production gemeinsam mit «Ersatz»-Regisseur Dexter Fletcher (EDDIE THE EAGLE), dessen Elton John Biopic ROCKETMAN demnächst in die Kinos kommt, zusammengehalten wurde – so darf man sicherlich auch den Oscar für den besten Schnitt für Ottman verstehen.
Also, ein Film für Aug’ und Ohr, das ist BOHEMIAN RHAPSODY bestimmt, sieht man sich aber die FSK Freigabe an, weiss auch der Gutgläubigste was es hier geläutet hat. Wer wirklich mehr über Freddie Mercury wissen möchte, müsste doch die Mercury Bio von Lesley-Ann Jones bemühen. Aber alleine wenn der Film beim jüngeren Publikum Interesse an der Musik dieser fantastischen Band weckt, ist schon ganz, ganz viel erfüllt worden! Spielberg-Fans, Augen auf: Joseph Mazzello (der Junge aus JURASSIC PARK) spielt hier den Bassisten John Deacon. Fast hätte ich ihn nicht erkannt.
Phil, 10.3.2019
BOHEMIAN RHAPSODY
R: Bryan Singer
D: Rami Malek, Lucy Boynton, Gwilym Lee, Ben Hardy u.a.
Musik: Queen
Verleih: Fox
Erscheinungsdatum: 14.3.2019