kurz und knapp 22

MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT
Lorne Balfe, La-La Land Records

Alleine der Länge wegen müsste MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT eigentlich für eine lange Rezi herhalten. Aber wie Goethe schon meinte: „In der Beschränkung zeigt sich der Meister.“ Das freilich gilt hier nicht für Lorne Balfe, der für das neuste MI Abenteuer mit dem scheinbar ewig jungen Tom Cruise einen fast monumental langen Score komponierte. Das muss nicht unbedingt gut sein wie wir wissen, wall-to-wall scoring in Actionfilmen ist wieder in geworden. Balfe, der für die Musik der zweiten Season von THE CROWN oder zuletzt auch für PACIFIC RIM: UPRISING und davor CHURCHILL besorgt war, legt einen Orchester-Elektro-Mix hin, der sich gewaschen hat. Die Variationen des unvermeidlichen Lalo Schifrin Themas und seines „The Plot“ sind deren recht viele, eines gar mit Chor ausgestattet („Mission: Accomplished“). Vieles was Balfe hier gemacht hat, ist Action pur und kann auf die Länge der beiden CDs (109 Minuten!) vielleicht etwas viel werden, wenn man sich die Musik in einem Rutsch anhört. Einige der Tracks aber haben es wahrlich in sich, alleine die Abfolge mit den Stücken 14, 15 und 16 („The Exchange“, „Steps Ahead“ und „Escape through Paris“) verdient besonderer Erwähnung. Zum Film erschienen damals zwei Downloads, eine kürzere und eine längere Version. Als man sich die Hoffnung auf eine mögliche CD schon fast ans Bein strich, erschien der Score plötzlich bei La-La Land Records, die gleich noch 6 Bonuse drauf packte. Danke La-La, dass die CD-Hörer, die nicht downloaden mögen, weiterhin Beachtung finden!
 Phil

SLENDER MAN
Ramin Djawadi & Brandon Campbell, Sony Music

SLENDER MAN (2018) von Regisseur Sylvain White ist in jeder Hinsicht unnötig. Die erzählte Geschichte ist altbacken, die Umsetzung höchstens routiniert und in Bezug auf die Filmmusik werden gut 45 Minuten kreischende Orchester- und Soundeffekte geboten. Das kann man abseits der Bilder nicht hören wollen. Im Film wollen vier Teenage-Mädchen die Legende vom so genannten «Slender Man» als Mythos entlarven. Doch nach einem vollzogenen Ritual geraten sie tatsächlich in die «Fänge» dieser mordenden Kreatur. Wer hät’s gedacht… Für die Musik zeichnen Ramin Djawadi und Brandon Campbell verantwortlich. Djawadi und Campbell haben an unzähligen TV-Serien zusammengearbeitet (GAME OF THRONES, PRISON BREAK, WESTWORLD, etc.), doch für SLENDER MAN scheint ihnen wortwörtlich nichts Knackiges in den Sinn gekommen zu sein, oder es war kein Platz im Film für solche Ideen. Die Musik wummert, kreischt und stampft während der gesamten Spielzeit immergleich durch die Boxen. Zum Vergessen.
Basil

ALL THE MONEY IN THE WORLD
Daniel Pemberton, Sony Classical

Noch eine Musik, die beinahe an mir vorbei gegangen wäre. Daniel Pemberton ist eigentlich immer ein Reinhören wert, das beweist auch sein Score zum Ridley Scott Film ALL THE MONEY IN THE WORLD. Umstritten ist dieser Film, weil Hauptdarsteller Kevin Spacey damals zu Beginn der #metoo Lawine in die Schlagzeilen geraten ist und nicht nur bei HOUSE OF CARDS den Stuhl räumen musste, alle seine Szenen bei Scotts Film wurden ebenfalls neu gedreht, mit Christopher Plummer. Was man davon immer halten möge (ich fand es einfach nur überzogen und bewerte es als Massnahme des Studios, das schlechte Einnahmen befürchtete), der Film ist nicht schlecht. Dazu trägt auch Pembertons in London eingespielte Musik bei, die mit dem Hauptmotiv beginnt und in ein französisch anmutendes (?) Rom-Motiv übergeht. Spannungsbetonte, düster schwere Tracks mit teils interessanten Orchestereffekten bilden nebst den motivisch motivierten Stücken wie „How Much Would You Pay“ (mit Solostimme), „Masterpiece“ oder das an der Person Gettys orientierte, klassische „Learn a Lesson“ das Gerüst des Scores, dazu elektronische, perkussive Elemente in „We Are Kidnappers“, „Paparazzi“ und „Police Raid“. „All the Money in the World (Getty Arrivals)“, „The Waltz of the Newspapers“, „The Collector“ sind dabei Stücke, die besonders durch ihr ausgesprochen klassisches Ambiente herausragen, abgeschlossen vom ins selbe Horn stossende „Credits“.

Pembertons zweite Arbeit für Ridley Scott (THE COUNSELOR war die erste), ist eine seiner besten Musiken anhin, ALL THE MONEY ist ein weiterer Favorit für die Top Ten 2018? Bemerkenswert was der 41jährige Engländer bisher auf die Beine stellt.
Phil

SAVING PRIVATE RYAN 20TH Anniversary Edition
John Williams, La-La Land Records

Habe ich oben eben noch La-La Land Records gelobt, so muss man bei dieser 20th Anniversary Edition etwas mit dem Kopf schütteln. Zwei Tracks mehr mit „film version“ umschrieben, ansonsten das genau gleiche Programm wie auf der 1998er CD? Etwas einfallslos – und ein Gefühl „Mogelpackung“ beschlich den ein oder anderen Fan da draussen, wenngleich es in der Tat ausser «film versions» nicht mehr Musik zu SAVING PRIVATE RYAN gibt. Vielleich wäre es eine gute Sache gewesen, hier nur die Filmversionen zu präsentieren und dann quasi als Bonus die Tracks der 1998er CD?
Immerhin kriegen wir nun ein Booklet geschrieben von Mike Mattesino, der diese Veröffentlichung produziert hat – wenngleich die Liner Notes knapper ausgefallen sind als üblich. Schade. Der Score an sich, längst ist es bekannt, ist eine tolle Sache «Hymn to the Fallen» zählt mit zu Williams emotionalsten Stücken, eingespielt mit dem Boston Symphony Orchestra, so ungefähr der «ernsthaftere» Ableger des Boston Pops Orchestra, welches Williams lange Zeit als Chefdirigent führte. Und wer die Musiker im Booklet ohne Sehhilfe entziffern kann, superminiklein und bräunlich auf schwarz, kriegt bei Fielmann wahrscheinlich keine 20% auf seine nächste Brille.
Phil

SEARCHING
Torin Borrowdale, Sony Music

Mit SEARCHING (2018) hat Regisseur Aneesh Chaganty eine Mischung aus Drama und Mystery-Thriller geschaffen, überwiegend präsentiert im Found-Footage-Stil. Der Film fokussiert auf einen verzweifelten Vater, der auf der Suche nach seiner verschwundenen 16-jährigen Tochter ist. Hierzu hackt er sich in ihren Laptop ein und versucht, über Social-Media-Posts und -Kontakte herauszufinden, wo sie sein könnte. Durch dieses Stöbern entlang ihrer digitalen Fussabdrücke lernt er seine Tochter erst richtig kennen und muss sich zusehends um ihr Wohlergehen fürchten.

Die Musik zu diesem Cyber-Thriller stammt von Komponist Torin Borrowdale, der bis dato überwiegend Kurzfilme und Werbespots vertont hat. Er liefert einen Synthie-Spannungs-Soundtrack, der ideal zum Filmthema passt, abseits der Bilder aber verblasst. Das Booklet gibt keine Auskunft darüber, aber über weiteste Strecken muss dieser Score gänzlich mit Synthis aufgenommen worden sein, allenfalls hie und da ein paar Noten auf dem Klavier. Interessant ist, dass das Eröffnungsstück, New User, orchestral daherkommt und dermassen ausgelassen und fröhlich klingt, dass es aus einer Nancy-Meyers-Komödie stammen könnte. Doch nach melancholischem Klavier im zweiten Stück regiert ab dem dritten Stück pulsierender, anonymer Underscore (während gut 45 Minuten), der erst während den letzten sieben Spielminuten wieder etwas an Fahrt gewinnt (pulsierende BOURNE-Streicher und hallendes Klavier). Nicht schlecht, aber im Mittelteil austauschbar und im Ganzen gesehen fehlt ein thematischer oder mindestens klangstilistischer roter Faden.
Basil

A PRIVATE WAR
Scott Salinas, Varèse Sarabande

Scott Salinas war mir bis anhin unbekannt, dabei hat er schon einige Filme vertont (EDISON, ZIPPER), einige Independent und TV-Produktionen, aber auch Dokumentationen. Salinas studierte in Princeton und am renommierten Berklee College of Music in Boston.
A PRIVATE WAR ist ein Film über die Kriegsreporterin Marie Colvin, Regie Matthew Heineman, mit dem Salinas zuvor bei THE TRADE und CARTEL LAND zusammenarbeitete. Der Score ist eine düstere, monotone Sache, dessen Instrumentarium Violinen, Perkussion, die orientalische Laute Oud, Gitarren, Mandoline und Synthesizer umfasst. Allerdings sind die Instrumente nicht wirklich als Einzelstück herauszuhören, sie erscheinen eher in einer massigen Einheit. Obwohl Authentizität hier wohl wichtig war, ist es aber auch der neue Stil Filmmusik, der in so vielen aktuellen Filmen zu hören ist. Kompakt, wenig wirklich Bleibendes und von thematischem Material wollen wir gar nicht sprechen. Stimmung, das ist was zählt. So hört sich denn auch der von Annie Lennox geschriebene und gesungene Song an.
Phil

DON’T WORRY, HE WON’T GET FAR ON FOOT
Danny Elfman, Sony Music

Mit DON’T WORRY, HE WON’T GET FAR ON FOOT (2018) liefert Regisseurs Gus van Sant ein bewegendes Biopic, basierend auf der Autobiographie des Cartoonisten John Callahan. Dieser ist nach einem Autounfall an den Rollstuhl gebunden. Er entwickelt in der Folge ein Alkoholproblem, doch seine Leidenschaft für das Malen von Cartoons und die Unterstützung seitens seiner Freundin und seiner Alkoholiker-Gruppentherapie-Kollegen hilft ihm, wieder zurück ins Leben zu finden. Diese Geschichte ist nicht über-originell, aber das ergreifende Schauspiel und die gelungene Balance zwischen Humor und Drama machen den Streifen sehenswert.

Für diesen ruhigen Film hat Danny Elfman die Filmmusik komponiert. Dabei wartet jedes Stück mit ganz eigenen, eigenwilligen Ideen auf – ebenfalls stets zwischen komödiantischem und melancholischem Klangcharakter. Dass hier viel Leidenschaft und Einfallsreichtum reingeflossen sind, kann man auch dem Booklet-Text von Van Sant entnehmen, doch klingt das Ergebnis dennoch eher anonym. Elfman spielt hier auf leisen Tönen – keine Knaller-Stücke, keine markanten Leitmotive, keine ergreifende Melancholie. Die Musik wirkt durch und durch «nüchtern», mit dezenten humoristischen Akzenten im Detail. Das passt zum Film, doch als Hörerlebnis vermisst man etwas «markantere Momente» ausserhalb der ebenfalls eigenwilligen Songs. Damit ist DON’T WORRY als Album wohl nur für Elfman-Fans wirklich interessant.
Basil

THE SISTERS BROTHERS
Alexandre Desplat, Quartet Records

Kleines Wortspiel gefällig? THE SISTERS BROTHERS, übersetzt «Die Gebrüder Schwestern» oder doch «Die Schwestern Brüder»? Egal. Desplat und Western, das muss ausprobiert werden, auch wenn der Franzose zumindest bei mir zuletzt immer mal wieder hit and miss war. Hit mit SUBURBICON und L’ODYSSÉE, eher «miss» mit VALERIAN AND THE CITY OF A THOUSAND PLANETS und SECRET SHAPE OF WATER. Richtig zünden will die Musik zum Franzosenwestern von Jacques Audiard mit John C. Reilly, Joaquin Phoenix und Jake Gylenhaal nicht so ganz. Wer schmissiges Americana à la Bruce Broughton, Elmer Bernstein und John Williams erwartet, dürfte enttäuscht werden, wer gerne auf den Authentizitätszug aufspringt und es mag, wenn Desplat die Repetitionsschiene fährt, dem dürfte die Musik möglicherweise gefallen. Das Hauptmotiv ist eine 3-Noten-Folge, schlicht und simpel, gespielt vom Klavier, der elektronischen aber auch akustischen Violine. Dazu kommen diverse Perkussionsinstrumente, Gitarren, ein Bass, elektronisches Cello und eine kleinere Orchesterbesetzung, die ohne Blechbläser auskommt. Das Resultat erinnert ein wenig an Beltramis (gelungeneren) Ausflug mit THE HOMESMAN und viele Westernscores der Gegenwart, die nicht auf grosse, ausschweifende Orchesterthemen setzen (eine Ausnahme war vielleicht Franglens MAGNIFICENT SEVEN… habe ich schon erwähnt wie misslungen der Film geraten ist?). Keine Liner Notes im Quartet Büchlein, nur ein paar Fotos.
Phil

 

26.11.2018