von Manfred Schreiber
Das Zeitalter des Star-Wars-Universums – müßig, ein Märchen eben, jedenfalls: Festival für Storyboarder, Designer, Handwerker, Schauspieler und Publikum. Was auch bei Ridley Scott’s ALIEN (1979) und BLADE RUNNER (1982) begeisterte: Used Future – abgeblätterte, zerschrammte Alltagsdinge. Obwohl z.B. das L.A. aus BLADE RUNNER konkret mit „November, 2019” benannt wird „und deutlich vor den Ereignissen um die Skywalker-Familie spielt“ ist Used Future in beiden Welten individuell präsent. Keine sterilen Szenarien mehr wie sie frühere SciFi-Werke transportierten. Hoch leben Kratzer, Beulen, Brüche, Reparaturspuren an Fahrzeugen, Rüstungen, Gleitern und Sternenschiffen!
STAR WARS startete 1977 recht unüblich: Crawl-Titles führten mit symphonisch-geballtem Soundtrack in die Story hinein – wohl nur Comic-Verrückte glaubten an sie. Da entbrannte eine (für damalige Sehgewohnheiten hitzige) „Weltallverfolgungsjagd“, Blockade Runner vs. übermächtigem Star Destroyer (Out- / Indoor – wir liebten das!). Nach Entern und Lasergefecht, die Rebellen verloren empfindlich gegen Stormtrooper, betrat Lord Vader diese Szenerie, packte einen überlebenden Rebellen, verhörte ihn knapp, zerdrückte dessen Gurgel und schmetterte sein Opfer an die nächste Bordwand. Das Opening mündete in der Odyssee zweier Droiden auf dem staubigen Planet Tatooine, den nun wirklich niemand kannte. „Der goldene Roboter” artikulierte sich wie ein feiner Ober, stakste neben einer piepsend-rollenden „Mülltonne” durch die Sanddünen – Zitat: „Wir sind eben zum Leiden geschaffen, das ist nun mal unser Los.” Was sollte ein Droide auch sonst zum anderen Droiden in derart verzwickter Lage sagen? Urheber und Geschichtenerzähler George Lucas liess sich wahrlich Zeit für seine Zwei, da draussen. Inklusive Leinwand-Märchen-Soundtrack (man geniesse speziell auf historischem Polydor-Doppelalbum: LP 1, Seite A, Track 4, „The Desert and the Robot Auction“ – ein John-Williams-Statement). Die Rebellion gegen das Imperium, Gut gegen Böse, Glücksfall des Kinos. Es heisst, George Lucas entlohnte seine ILM-Freaks bestens und steckte jeden übrigen Penny vom STAR WARS-Gewinn in den Nachfolger DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (ganz gut angelegt, wie sich noch heraus stellte).
Lieb gewonnene Kindheitserinnerungen – im Volksmund „der Erste” KRIEG DER STERNE (1977), „der beste Zweite” DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (1980), „der Dritte” DIE RÜCKKEHR DER JEDI-RITTER (1983). Für letztere zwei Teile holte Lucas die Regisseure Irvin Kershner und Richard Marquand. Speziell in JEDI-RITTER gab es vor dem Finale einen Hauch davon, dass doch noch Gutes in Darth Vader stecken könnte: Es war der einsame Moment, nach seinem Aufeinandertreffen mit dem Gefangenen Luke Skywalker – irgend etwas ging hinter Vaders Maske vor sich, was er bislang nie zeigte. Zack – nach dem Abspann von JEDI-RITTER war Schluss, Happy End in der Galaxis, rein in den Hyperraum. Manch einer hoffte über Jahre, die Wege aller Figuren weiterverfolgen zu können. Dass dabei auch Abschied genommen werden musste, war, mindestens unterbewusst, klar. Die Ewoks, die bepelzten Freunde vom Waldmond Endor, tapfere Vasallen des Stosstrupps um Han Solo, Chewie, Luke und Leia, bekamen rasch zwei TV-Movies drauf geschneidert: THE EWOK ADVENTURE (1984) und EWOKS: THE BATTLE FOR ENDOR (1985).
Noch kein Kinozauber: SHADOWS OF THE EMPIRE (1996) – der Roman von Steve Perry widmete sich allerhand Geschehnissen zwischen EMPIRE und JEDI, den Episoden V und VI. Der Soundtrack zum Buch (das war seinerzeit erfrischend) belegte: Komponist Joel McNeely interpretierte die musikalische Star-Wars-Magie hervorragend. Und ein Computergame kam ebenfalls raus. Alles, nur kein Film.
1997 erstrahlten „unsere Episoden IV, V, VI“ digital aufpoliert wieder in den Kinos – mit mehr oder weniger sinnvollem Bildmaterial (Dewbacks: schön. Tatooines kloppende Droiden, Quatsch mit Javas: nervig. Mampfendes Wampa: weniger war mehr. Bespin-Shots: interessant. Friedensfeuerwerk über den Städten: OK). Was George Lucas danach erzählen wollte: Woher kam Darth Vader – wie wurde Anakin Skywalker zur diabolischen Maschine?
1999 musste man als Star-Wars-Liebhaber der 1970er, 1980er Jahre beginnen umzudenken: Lucasfilm servierte ab jetzt 3x Frühgeschichte – die klassische, gehütete Trilogie erhielt eine Legende. Etwa David Fincher oder Robert Zemeckis – sicherlich hätten beide Visionäre sehenswerte Prequel-Regiearbeiten markiert, doch George Lucas, der finanziell unabhängigste aller Independent-Filmemacher, lieferte eigenhändig von 1999 bis 2005 die Episoden I, II, III nach.
EPISODE I: THE PHANTOM MENACE (1999) schickte Anakin Skywalker als All American Kid mit erhöhtem Midi-Chlorianer-Wert ins Rennen – Darth Vader’s Schatten, kaum auszumachen. Endlich ein Wiedersehen mit Tatooine. Unbefleckte Empfängnis – jetzt auch in der Galaxis, weit, weit entfernt. Pod-Racing kam in Mode, Jar Jar Binks schaffte es mühelos beim Ü-15-Publikum zur Hassfigur. Plötzlich kullerten auch noch diese blauen, energiegeladenen „Medizinbälle“ über Naboos Schlachtfeld und Jar Jar’s Turnübungen kannten kein Ende… Wildfremde Leute stützten sich nach dem Kinobesuch gegenseitig – viel hatte man altgedienten Star-Wars-Enthusiasten abverlangt (nicht nur bei deutscher Synchro). Doch fair muss man bleiben, PHANTOM MENACE stand nicht ohne Höhepunkte da, z.B. Cast-Freude über Liam Neeson und Ewan McGregor. Auch musikalisch lief Alles wie es sein soll.
EPISODE II: ATTACK OF THE CLONES (2002) ließ Anakin zum heißspornig drängelnden Jedi heran rauschen – Darth Vader kam näher, wenn auch nicht äußerlich. Das Coruscant-Opening fühlte sich nach Terrorbildern des realen Lebens an, selbst Star Wars kam da nicht drumherum. Für Gamer die Verfolgungsjagd: Obi Wan und Anakin jagen Changeling-Attentäter. Kamino, keine Reise wert: Sauwetter und magersüchtige Aliens, Lichtblick: Jango Fett. C-3PO schwafelte unentwegt schrottreifes Zeug, R2-D2 zündete überraschend feurige Düsen, Meister Yoda bewies wahre Fitness. Der große Christopher Lee. Reisekoffer wurden gepackt, ein Hingucker. Fehlte nur noch, dass man jemanden beim Verlassen der Toilette zu sehen bekam. Es wehte wahrlich ein neues Lüftchen, knallbunt. Und die Klonkriege entbrannten, Sternenzerstörer starteten.
EPISODE III: REVENGE OF THE SITH (2005) offenbarte Anakins fatale Sucht nach unsterblicher Liebe – letztlich führte dies zur Auferstehung Darth Vaders. Die Laserschwertfights, nicht gerade für 4-jährige envogue, dennoch richtig, das ganze Drama so zu zeigen. Luke und Leia wurden geboren und fernab voneinander vor Vader versteckt. So einiges musste in REVENGE OF THE SITH hineingepackt werden – besonders die Order 66 fühlte sich rasend an, nach allem, was man zuvor über den Verrat hörte. Ankoppelung: John Williams’ „A New Hope And End Credits“ zollte EPISODE IV: A NEW HOPE Tribut. Nur ein paar Jahre würden im Filmleben vergehen. Die Episoden I, II, III waren wie geschaffen für Kids der 90er. Bei aller Verärgerung von Fans der ersten Stunde sollten wir nach vorne blicken. Ohne George Lucas hätten wir gar nichts. Auch gilt weiterhin: Soundtrack-Hausmeister John Williams bleibt erhalten, was ein Trumpf war, seit den 70ern.
EPISODE VII: THE FORCE AWAKENS. Overkill – unzählige TIE-Fighters bei Tageslicht, allein der röhrende Antrieb ließ früher noch zusammenzucken, ab 2015 sind sie überall. Wohl niemand verzehrte sich nach einem „Rain Man – The Reunion”, „Der mit dem Wolf tanzt 2” oder „Der einzige Zeuge 2”. Jedoch, echte Laserschwerterklingenkreuzen: Eine ganz andere Liga. Es galt Modernität und Oldschool zu vereinen – kein simples Unterfangen, nicht bei der Größe des Erbes. Regisseur J.J. Abrams machte den Job. Und es wurde was daraus. Nachdem das kreative Steuerrad von Lucas an den Disney-Konzern übergeben war wird das Laserschwert einer neuen Generation weitergereicht. Zwar ohne Twentieth-Century-Fox-Fanfare, aber auch ohne befürchtetem „Schloss-Neuschwanstein-Glitzerzauber”. Doch natürlich mit Lucasfilm-Emblem – endlich wird die Star Wars-Saga weitererzählt:
J.J. Abrams’ bringt frische Dialog-Gradwanderungen (früher kaum denkbar), traditionelle Action und reichlich Tempo zusammen, gewürzt mit Weitblick – Luke Skywalkers Miniauftritt, platziert an bester Position, verspricht: STAR WARS ist nicht am Ende (1983 fühlten wir anders, doch macht es heute wieder Spaß – und letztlich wirft das Alles zu viel Profit ab). Das Gefecht zu Beginn auf Jakku – hier gibt es starke Ideen, z.B. der in der Luft verharrende Laserschuss. Kylo Ren – zweifellos gefährlich, doch mit seinem Großvater verglichen wird er lange unterwegs sein müssen, was Kylo Ren sichtlich beschäftigt und zermürbt. Auch für diese schwierige Rolle ist mit Adam Driver der Richtige gefunden. Die von Kylo Ren angeordnete Erschiessung aller Dorfbewohner deutet auf sogenannte ethnische Säuberung hin – verstörend aktuell. Viel gelobte Cast-Chemie ist da, Humor kommt nicht zu kurz. Daisy Ridley spielt Rey – schnörkellos, feminin, Amazone, es passt einfach. Und die friert auch nie. John Boyega – Finn, ein Guter, mit Timing und Fresse. Rey und Kylo Ren – es wird spannend bleiben. BB-8 – es hätte erheblich schlimmer kommen können, der ist in Ordnung, hat Feuerzeug und „Mimik“ parat. R2 (im Standby-Modus) mutet gegen BB-8 hünenhaft an, beide Droiden werden sicher in zukünftigen Filmen aufgeregt fabulierend kooperieren.
Verblendung – General Hux brüllt seine demagogische Rede eingeschworenen Stormtrooper-Armeen entgegen, Fäuste strecken sich gen Himmel, nun ja, der schwächste Episode-VII-Moment, doch gut geschnitten. 3PO – hält sich eher bedeckt, fast vermisst man ihn, aber Han’s erste Begegnung mit dem Goldjungen (eigentlich mit Leia nach langer Zeit), sorgt für gute Stimmung und läßt gern weit zurückblicken. Rasender Falke – unkaputtbar, jetzt wieder mit Radarschirm, stylisch angebracht, damit das Gerät auch bei Lichtgeschwindigkeit nicht abknickt. Hoppla – ein ganzer Planet / Starkiller saugt Sonnenenergie auf, speichert, bündelt, feuert diese Kraft wieder anderen Erden entgegen, pulverisiert sie. Die antiken Todessterne waren wendiger. Was wird bloß folgen auf den (er hat’s nicht geschafft) Starkiller? Leia – schön, sie dabei zu wissen, wenn auch nicht mitten im Getümmel. Der Widerstand braucht ihr Herz, backstage. Original Voice von Carrie Fisher – es gab seit RETURN OF THE JEDI viel zu kämpfen.
John Williams für den Soundtrack an Bord zu haben kann nie schaden, aus der Star Wars-Historie ist das ganz ordentlich belegt… Vorhandenes Material einfach nur abgewandelt aufzubrühen – dies war nie seine Sache. Natürlich sind markante Bilder mit wohlvertrauten Melodien verschmolzen, doch ertönen bei neuen Charakteren, wunderbare THE FORCE AWAKENS-Klänge. Und zum leisen Outro (CD-Track 23, „The Jedi Steps and Finale“) beglückt auch noch etwas, was nach Spieluhr klingt. Han Solo – was für ein Überflieger, Geschichtenerzähler, Solo verbindet die Generationen. Und wir nehmen Abschied.
Interessant in kommenden Jahren: Ob unsere Kids ab Neustart-Episode VII ähnlichen Zauber empfinden werden wie wir, die Jungs und Mädels der 1970er Jahre? Aufgewachsen mit Tatooine, Mos Eisley und der Cantina Band. Zu jener Zeit galt gut gemeinte TV-Ware als wertvoll, um das Warten auf weitere Star Wars-Abenteuer erträglicher zu gestalten, tapfer voran: KAMPFSTERN GALACTICA (1978), MISSION GALACTICA – ANGRIFF DER CYLONEN (1979) oder BUCK ROGERS (1979). Nebst der MUPPETS SHOW (Ausgabe 417, dt. Erstausstrahlung 1981), mit Mark Hamill, dem Wookiee und beiden Droiden, Highlight: „Schweine im Weltall“. Alec Guiness adelte als Obi Wan Kenobi die klassische, gehütete Star Wars-Trilogie seit je her. Insgeheim schaut der KRIEG DER STERNE-Liebhaber von ganz früher nur zu gerne den alljährlichen Puschenkino-Klassiker DER KLEINE LORD (1980) – sicher nicht wegen des Weihnachts-Feelings.
Überraschend kam Gareth Edwards ROGUE ONE im Dezember 2016 daher. Sicher nicht der letzte Standalone-Knaller. Hier konnte man allerhand Charaktere (an die man sich besser nicht zu eng gewöhnen sollte) sehen, die so manches trieben, um die Rebellion voranzubringen. Visuell packend, mit unzähligen Insidern, bis hin zu Darth Vaders Gemetzel an den Beschützern von Prinzessin Leia, welches direkt anschliesst zu EPISODE IV: A NEW HOPE – eine völlig neue Sicht. Komponist Michael Giacchino hat Alles verinnerlicht, um ROGUE ONE zum Bonus-Geschenk zu machen.
EPISODE VIII: THE LAST JEDI. Wieder Dezember, aber 2017 musste erstmal kommen. Rian Johnson bringt als Filmemacher wieder neue Farben hinzu, bevor am Ende alles offen ist, kriegt man einiges geboten. Er wirft das von Rey ihm entgegen gestreckte Laserschwert achtlos weg – was ist denn jetzt mit Luke Skywalker los? Sein X-Wing-Schiff versenkt im Meer, scheinbar untergetaucht bei diesen Kröten, sich grün wabernde Milch abzapfend vom Euter eines, ja, eines Dings… Rey, so scheint es, sitzt mitten im verwunderten Publikum – interessant schon, doch auch der härteste Fan blickt dem Treiben erstmal augenreibend zu. Luke ist nicht zimperlich geworden, so viel steht fest. Was für ein Finale!
SOLO: A STAR WARS STORY. Lucasfilmveteran Ron Howard führt beim Standalone No. 2 das Zepter. Used Future ist natürlich mit von Partie. Einer vom Imperium vergibt diesen wundersamen Nachnamen an Han? Chewies erste Begegnung mit Han im schlammigen Verlies entschädigt für so einiges. Danach wird fröhlich geduscht, es kommt auch super trocken rüber. Diese Sache mit dem Zug – na, schön, ist ja Fantasygenre hier. Auftritt: Lando Calrissian. Der Falke! Die Musik! Zeitweise irritiert ein madmaxiger Look. Han und Chewie kann keiner trennen.
Immer wieder Dezember: 2019 wird EPISODE IX: THE RISE OF SKYWALKER dringend erwartet.
Manfred Schreiber 28.09.2019
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