
von Phil
Als in Gstaad, dem noblen Skiort im Berner Oberland, ich glaube es war 1996 oder 1997, John Barry zu Gast war – leider gab es anstatt einer Livedarbietung nur eine aufgezeichnete, auf die Leinwand projizierte Aufnahme eines Barry Konzerts – hatten Patrick Ruf und ich die Gelegenheit ein Interview mit dem populären, britischen Komponisten zu führen. Das Gespräch fand im noblen 5-Stern Ambiente des Hotel Palace, das von aussen wie ein Schloss aus einem Disneyfilm aussieht, statt.
Wir erwarteten Barry in einem separaten Raum im üppigen Loungebereich, er traf mit seiner jungen Frau ein, die sich kurz darauf verabschiedete. John Barry war der typische englische Gentleman wie man ihn sich aus Film und Fernsehen vorstellte. Anberaumt waren 30 Minuten. Erfahrungsgemäss geht eine halbe Stunde äusserst schnell rum, wenn der Interviewte sich wohl fühlt, ausführliche Antworten gibt und das Gespräch möglicherweise spannend verläuft- Jedenfalls kam John Barrys Ehefrau nach einer halben Stunde, worauf er bei ihr einen Rum mit Cola bestellte.

Etwas unzufrieden, sie deutete, dass die 30 Minuten doch vergangen seien, ging sie die Bestellung an der Bar aufgeben, wir führten das Gespräch fort und nach einer gefühlten Rum-Cola Einlage orderte John Barry eine Zugabe. Uns als Interviewer freute das natürlich, Misses Barry schien davon weniger angetan. So kam es zum zweiten Drink und die Laune unseres Gegenübers nahm mehr und mehr zu. Das Interview blieb interessant, Barry blieb der gewohnt nette, ausgiebig erzählende Gesprächspartner und bei der dritten Rum-Cola war die Laune von Misses Barry eindeutig am Boden.
Wie lange das Interview schliesslich andauerte, kann ich heute, fast 30 Jahre danach, nicht mehr genau sagen. John Barry jedenfalls war einer der gesprächigsten Interviewpartner, die Location war grossartig und wir, die Interviewer, blieben die ganze Zeit über beim Süssgetränk ohne Alkohol.
Cinemusic, wie sich der Anlass nannte, war kein Dauerbrenner, zu abgelegen und speziell war Gstaad als Austragungsort, zu wenig Publikumsverkehr fand statt (bei einigen Vorführungen blieben die wenigen anwesenden Journalisten unter sich) und was dem Festival eindeutig abging, war ein Filmmusikkonzert – als schliesslich Popstars auftraten und Filmmusik scheinbar nur noch die zweite Geige spielte, war es bald zu Ende mit dem Festival.
John Barry live und in persona zu erleben, bleibt unvergessen und ein Höhepunkt im Leben eines jungen Filmmusikjournalisten.
14.01.2025