Blog #30: Die Serie Presumed Innocent

von Phil

PRESUMED INNOCENT ist nicht die erste und letzte Aufarbeitung, Reboot oder Aufwärmung eines einstigen Films als Serie – oder Miniserie. Manche sind erfolgreich, spannend, zeigen neue Sichtweisen und Ansichten, andere wiederum sind eher schwach, unnötig, uninteressant.

Die Serie PRESUMED INNOCENT ist seit 2024 auf Apple-TV zu sehen, es spielen Jake Gyllenhaal, Ruth Nega, der gerne gesehene Bill Camp, Peter Sarsgaard und andere. Neben Camp ist es hier Sarsgaard der brilliert und den Staatsanwalt Tommy Molto wiedergibt. Gyllenhaal in der Hauptrolle ist okay, aber nicht mehr. Was die Serie insgesamt abgelangt, ist es die Chemie zwischen Rusty Sabich und seiner Ehefrau, die merkwürdigerweise nicht gut funktioniert. Überhaupt scheinen die weiblichen Charaktere eher schwach geschrieben worden zu sein – erinnern wir uns an die starke Greta Scacchi im Film.

Das ist die eine Seite, die andere betrifft die üppigen Eingriffe in Scott Turrows Buch, dem der Film von Alan J. Pakula aus dem Jahr 1990 weitaus treuer geblieben ist – und das war sicher gut so. Showrunner David E. Kelley und seine Autoren haben sich dazu entschlossen, Vorsicht Spoiler, wichtige Personen komplett umzuschreiben oder wegzulassen – was angesichts der Aufteilung in acht Episoden nicht nachvollziehbar ist. So kommt etwa Rustys Investigator gar nicht vor. Die Romanze zwischen Rustys Chef Raymond Horgan mit dem Opfer wurde gestrichen. In der Serie verteidigt Horgan Rusty nach dem dieser des Mordes angeklagt wird. Die Rolle des Sandy Stern (im Film brillant gespielt von Raul Julia) gibt es nicht und in einem der unglaubwürdigsten Turns der Serie, übernimmt Rusty nach Raymonds Herzinfarkt seine eigene Verteidigung. Das wirkt leider nicht nur unwirklich, sondern auch recht lachhaft.

Schliesslich, nochmals Spoileralarm, wird aus der den Mord verübenden Ehefrau kurzum die Tochter. Man kann sich diesen Eingriff nur so erklären, dass die Showrunner sich dachten, hey, wer den Film gesehen hat oder das Buch kennt, weiss wie es ausgeht, lass uns daran was ändern. Ganz ehrlich, im ersten Moment hat es sogar funktioniert, im Nachgang aber wirkt es zu aufgesetzt.

Grundsätzlich und umfassend gesehen ist die Serie gelungen und hebt sich sicher auch dank des Casts vom allgemeinen Streaming-Serientum ab, erreicht aber nie die Intensität und Klasse von Alan J. Pakulas Film mit Harrison Ford und der grandiosen Cinematographie von Gordon Willis. Ganz zu schweigen von der Musik: Danny Bensi und Saunder Jurriaans können, natürlich, dem Score von John Williams nie das Wasser reichen – der Score verschwindet wie er gekommen ist.

Wer weder Buch noch Film kennt, dürfte mit der Serie, die übrigens von J.J. Abrams mitproduziert wurde, gut bedient sein. Wer aber Pakulas Film kennt und schätzt, der wird der Serie, so wie sie ausgefallen ist, wahrscheinlich mit eher gemischten Gefühlen begegnen.

Nun soll es eine zweite Season geben, wir harre der Dinge!

22.12.2024