The V.I.P.s

Review aus The Film Music Journal No. 26/27, 2001

In den siebziger Jahren gab es im ZDF eine erfolgreiche Reihe namens „Die V.I.P.- Schaukel». Eine gewisse Margret Dünser dünstete auf einer solchen mit prominenten Zeitgenossen und plauderte über deren Schicksal: Anthony Quinn, Gregory Peck, auch Arnie Schwarzenegger in seiner Stirnbandphase, allesamt auskunftsfreudige, vor allem aber: «sehr wichtige Menschen». Seither ist der Begriff fest an diese Sendung geknüpft, obwohl er in seiner doppeldeutigen Heiterkeit auch vorher gesellschaftsfähig gewesen war.

So krönte er 1963 einen allerdings außergewöhnlich langweiligen Hollywoodfilm. Die Firma MGM befand sich im Umbruch, große Stars waren Mangelware. Da traf es sich gut, daß Richard Burton und Liz Taylor miteinander im Clinch lagen (mal so, mal so). Für die versierten Produzenten konnte es also nur darum gehen, irgendeinen Storystuß um die Figuren herumzuhauen. Gesagt, getan. Das Ergebnis heißt THE V.I.P.s, läuft unter dem Titel HOTEL INTERNATIONAL alle paar Monate im deutschen TV und ist alles andere als wichtig, obwohl eine Riege begabter Akteure ihre Aufwartung macht: Louis Jourdan, Margaret «Marple» Rutherford, Rod Taylor, dazu in einer buffonesken Kleinstrolle Orson Welles, der wieder einmal Geld brauchte und seinen Part bis zur Farce überzog.

Obwohl Miklós Rózsa eigentlich froh sein konnte, nach all den Jahren im historisierenden Dauereinsatz mal wieder eine zeitgenössische Fabel betreuen zu können, erweckte dieser hölzerne Plot nicht gerade seinen Ehrgeiz. Zu träge schleppen sich die Dialogszenen zwischen den schablonenhaften Figuren hin, um einen Meisterscore zu motivieren. THE V.I.P.s gehört denn auch eher ins gesunde Mitteldrittel seines Schaffens. Das gilt freilich nicht für alle Stücke gleichermaßen. Der «Main Title» beispielsweise ist der ernstgemeinte und geglückte Versuch, zu den Vorspanntiteln ein emotionales Feuer zu entfachen. Ein leidenschaftliches Streicherthema beherrscht die Komposition und verrät ihren Autor binnen zehn Sekunden. Ein hübscher Gegensatz dann das barockisierende Tanzthema für die von Margaret Rutherford gespielte «elderly lady», ganz der Flöte, einem Cembalo und Streichern überlassen.

Eine getragenere Variante des Hauptthemas schließt sich an und sorgt dafür, daß das erste Viertel der CD reine Freude beschert. Als jedoch die Figuren eingeführt sind und ihre Konflikte verbaliter austragen, duckt sich die Musik in hingleitenden Bläser-Streicher-Elegien, nicht reizlos, aber zu ausgedehnt, um abseits des Films das Interesse über eine längere Strecke zu fesseln. Deshalb befaßt man sich am besten mit Rózsas gekonnter Motivverarbeitung und seiner reichhaltigen Polyphonie, den aus kurzen Gesten gewonnenen Gegenüberstellungen der Instrumentengruppen. Eigentlich wäre der ganze Score etwas für den Kopfhörer, doch gerade da zeigt sich eine weitere Schwäche der CD: ihre Tonqualität ist kaum durchschnittlich, zumal für eine offizielle CD. Wer weiß, welche Bänder die Grundlage abgegeben haben: unter einer reparierten Vorlage stellt man sich jedenfalls anderes vor. So kommt es immer wieder zu Verzerrungen; überdies sind linker und rechter Kanal nicht optimal gegeneinander austariert.

Am besten begnügt man sich zunächst mit den Tracks 1-3, 6 und 10-12. Alles in allem: hörenswerte, obere Mittelklasse, die in den besten Momenten deutlich überboten wird —vor allem in jenem unnachahmlich-pathetischen Finale, in dem Rózsa eine Melodierakete nach der anderen zündet, als gälte es, eine große Party zum standesgemäßen Abschluß zu bringen. Und in gewisser Weise war es nichts anderes als das: Nach THE V.I.P.s komponierte er jahrelang keine Filmmusik, und was dann folgte, erreichte nur selten die alten Hitzegrade. So ging mit diesem Melodrama eine Ära zu Ende.

Matthias  |  2001

THE V.I.P.s

Miklós Rózsa

Chapter III

40:51 | 12 Tracks