Ivanhoe

Review aus The Film Music Journal No. 30, 2003

IVANHOE (1952), der Inbegriff des farbenprächtigen Ritterspektakels made in Hollywood, gehörte schon in den siebziger Jahren zum sonntagnachmittäglichen Standardprogramm. Und da es nur drei Kanäle gab, schauten auch alle Mitschüler hin und diskutierten tags darauf die besten Szenen. Für mich war es aber immer auch die Musik, die für Begeisterung sorgte. Sie gehörte Anfang der 80er zu den ersten LPs, nach denen ich Ausschau hielt, doch immer vergebens. Nach 20 Jahren des Wartens ist nun ein Traum erfüllt worden. IVANHOE ist der prototypische Rózsa-Score, und wem dieses Werk nicht gefällt, der kann sich alle anderen sparen.

Die Verfilmung eines berühmten Romans von Sir Walther Scott konzentriert sich zwar auf das Wesentliche, exponiert aber trotzdem eine ganze Anzahl wichtiger Figuren, zu denen neben Richard Löwenherz und seinem Bruder John auch diverse angelsächsische und normannische Rittersleute sowie Bauern, Mönche und natürlich zwei schöne Frauen gehören. Liebesszenen, Raufereien, großangelegte Schlachtszenarios, Ritterturniere, Fanfarenklänge und beherzter Galopp durchs Gelände erfahren ihren Widerhall in einer Überfülle musikalischer Motive und Themen, die dafür sorgen, daß man sich nicht so bald satt gehört hat.

Es beginnt gleich mit einem der herrlichsten Main Titles aller Zeiten, von der französischen Ouvertüre beeinflußt, aber ins Großorchestrale gewendet, mit stolzen Rhythmen und gesättigten Geigenmelodien. Immer wieder offenbart sich Rózsas Ehrgeiz, das Unmögliche möglich zu machen. Die Musik des 12. und 13. Jahrhunderts war nun denkbar weit entfernt von den üppigen Orchesterstilen des 20. Jahrhunderts, und ein Rückzug in die Welt des gregorianischen Chorals oder mittelalterlicher Motetten schien 1952 undenkbar. Dennoch studierte der Komponist die Minnegesangrepertoires und war imstande, historisches Liedgut als Basis etlichen Stücken zugrundezulegen. Besonders gelungen sind die melancholischen Themen für Lady Rowena und Rebecca, die beiden Frauengestalten des Films. Doch geht es keineswegs sehr friedlich zu, und schon bald galt es, rabiate, mit intensiver Kontrapunktik gestaltete Klänge für die Auseinandersetzungen zwischen den Rittersleuten aufzubieten. Heroische Fanfaren rufen dazwischen, ehe es nach Torquilstone’s Castle geht, wo die große Schlacht mit allen denkbaren Waffen ausgefochten wird. Für diese Filmsequenz hat Rózsa sein feinstes „Action“-Material zusammengestellt, wobei William Waltons Musik zur Schlachtszene aus Henry V als kreatives Vorbild benannt werden sollte. Am Ende hat IVANHOE auch seinen bittersten Kampf bestanden und Richard Löwenherz zur Rückkehr auf den Thronsitz verholfen. Mit optimistischen Schlußfloskeln endet eine der mitreißendsten Filmmusiken aller Zeiten.

Diese Ansicht vertrat übrigens auch Bruce Broughton, der 1994 eine hervorragende Neueinspielung dirigierte. Wer mit Rózsas Filmmusik nicht vertraut ist und historisch klingende Mono-Aufnahmen scheut, ist mit jener Intrada-CD immer noch gut bedient. Lebenslange Fans des Films und seiner Musik schweben dieser Tage allerdings einige Zentimeter über dem Boden, weil die einzigartige Originaleinspielung in vorzüglicher Klangqualität ihre Erstveröffentlichung in dieser Vollständigkeit (einige Fanfaren und Lieder fehlen) erfahren hat. Rhino Handmade legt einen Meilenstein der Abenteuer Filmmusik in limitierter Auflage von 2500 Stück vor. Zugreifen!

Matthias  |  2003

 

IVANHOE

Miklós Rózsa

Rhino Handmade

59:06 | 27 Tracks