Mit I Brigantini Italiani veröffentlicht Alhambra in seiner Lavagnino-Reihe einen weiteren, attraktiven Score des ebenso profilierten wie fleissigen Filmkomponisten. Diesmal entführen uns Lavagninos Klänge in den italienischen Bürgerkrieg; sie gehören zu einem Streifen aus dem Jahr 1961, der sich mit seiner Besetzung (u. a. Vittorio Gassmann, Ernest Borgnine, Katy Jurado, Bernard Blier und Akim Tamiroff) zwar einer beachtlichen, internationalen Starriege rühmen kann, aber trotzdem kaum Filmgeschichte geschrieben haben dürfte.
Der Main Title präsentiert ein schwelgerisches, einprägsames Hauptthema, das mit Fanfaren, die Erich Wolfgang Korngold oder Alfred Newman zur Ehre gereicht hätten, eine heroische Komponente erhält und der mitschwingende Patriotismus durch einen Chor erhöht wird. Obwohl dieses Thema primär für den Freiheitskampf des von Borgnine verkörperten Sante Carbone steht, kommt es in diversen Stimmungen zum Einsatz, etwa wehmütig in Sante and Assunta, elegisch in Death of Chattone und On the Move (2), weltuntergangsmässig in Vincenzino and Sante.
Auch das Thema für den von Gassmann gespielten Vincenzino wechselt oft seinen Charakter. Das reicht vom humorvollen Auftritt in den Flöten und von Hufgeklapper begleitet in Viva l’Italia, über stürmische Bläser im marschartigen Escape bis hin zu amourösen, mit Cembalo untermalten Episoden in Vincenzino Esposito and Mariantonia und Vincenzino and the Marchioness (was will uns bei letzterem das gegen Schluss hin plötzlich verstimmt und unkoordiniert klingende Tasteninstrument wohl mitteilen?).
Liebhaber von gepflegten martialischen Klängen kommen in ‒ wenn auch zum Teil kurzen ‒ Tracks wie Vincenzino Esposito, Reprisal, Battle und Colonel Breviglieri and Baron La Mazza auf ihre Kosten. Hier bestimmen Percussion ‒ insbesondere Snare Drums ‒ und Blechbläser das oft recht zur Sache gehende, dramatische Geschehen.
Schräge Flötentöne gibt’s in Vincenzino Esposito (Unused) zu hören, und der Sänger von Chicchirichi (wohl nicht von Lavagnino, da als «Traditonal Folk Song» bezeichnet) wirkt ein wenig desinteressiert. Diese beiden Tracks machen sich denn auch eher als Kuriositäten innerhalb des Scores bemerkbar.
I Brigantini Italiani, erstmals komplett und in Stereo veröffentlicht, ist aber ansonsten ein stimmungsmässig ebenso abwechslungsreicher wie ausgewogener Score, der nebst Sammlern von italienischer Filmmusik auch jene, die sich von Hollywoods Golden-Age-Scores begeistern lassen, ansprechen dürfte.
Die CD wird von einem hübschen Booklet mit tollem Cover begleitet, das nebst Liner Notes von Stefan Schlegel auch mit Erinnerungen an den Komponisten von Allesandro Panuccio sowie einem Lavagnino-Interview aufwartet. Der Schriftgrad für die Texte zielt allerdings weit am potentiellen Zielpublikum vorbei; nächstes Mal wieder ein wenig grösser, bitte. Und bei der Track-Liste auf dem Back-Cover kommt mir nicht alles ganz koscher vor, zumindest die Zeitangabe von Track 5 ist definitiv falsch.
Andi, 14.10.2014
I BRIGANTI ITALIANI Angelo Francesco Lavagnino Alhambra A 9022 46:38 Min. / 22 Tracks Limitiert auf 400 Stk.