Mit diesem Album hat das Team um Lukas Kendall kurz vor Abbruch der Beziehungen zur 20th Century Fox noch einen Glücksgriff getan. Sicherlich sagt der Name Leigh Harline den meisten Sammlern nichts, denn seine bekanntesten Aktivitäten betreffen die alten Disneyfilme, allen voran PINOCCHIO (1940). Später arbeitete er als freier Komponist für verschiedene Hollywoodstudios, erhielt aber selbstverständlich nicht deren Prestigeobjekte. Wer sich für US-Filme der vierziger bis frühen sechziger Jahre interessiert, trifft seinen Namen hin und wieder, jedoch nicht allzu häufig, und die meisten seiner Partituren können außerhalb der zugehörigen Filme kaum Interesse beanspruchen. Zu den Ausnahmen gehört sein Beitrag zu einem der ersten Cinemascope-Western, BROKEN LANCE, einer prominent besetzten Familiengeschichte um den Patriarchen Matt Devereaux, standesgemäß verkörpert von Spencer Tracy, um den sich Charakterdarsteller wie Richard Widmark, außerdem die romantischen Aushängeschilder Jean Peters und Robert Wagner scharten.
Obwohl der Film im deutschen Fernsehen regelmäßig zu sehen ist, fiel sein Musikanteil bislang nicht sonderlich auf, weil die Synchronfassung für eine sehr verhaltene Aussteuerung gesorgt hat, die der Wirkung der Musik nicht eben förderlich ist, ja vereinzelt den Sinn ihrer Anwesenheit fraglich erscheinen läßt. Nun aber, in einer vorzüglich gemasterten CD-Edition, kommt die ganze Pracht dieser Westernpartitur zur Geltung. Mit nicht einmal 39 Minuten ist sie keineswegs überlang geraten und besitzt keinerlei Hänger. Harline gehört, wie Ross Care in seinem vorzüglichen Einführungstext vermittelt, gemeinsam mit Hugo Friedhofer zu jenen Komponisten, denen es schon vor Jerome Moross gelang, traditionelle Westernmusik mit Americana-Klängen zu bereichern, ohne dabei den später zum Klischee geronnenen Stereotypen zu vefallen.
Da werden eben nicht in Serienproduktion leere Quarten und Quinten aneinander gefügt oder allenthalben das herrliche Land gepriesen. Die Kompositionstechnik steht ganz auf dem Boden der symphonischen Tradition. Ein rhythmisch agiles Hauptmotiv für den Patriarchen bildet das Herzstück der Partitur und eröffnet sogleich den Main Title. Ein neues, lyrisches Thema wird in Track 3 eingeführt und repräsentiert den Zusammenhalt der Familie. Damit ist es aber dann doch nicht so weit her, weshalb der Film auch vor allem von seiner Inszenierung der Konflikte lebt. Harline weiß das in intensive, dissonanzreiche, aber immer tonale Musik umzumünzen, die sich turmhoch aus der 43 Konfektion damaliger Westernmusik erhebt. Dem vielfach eingesetzten Patriarchenmotiv sind gegensteuernde, aggressive Rhythmen unterlegt. Verschiedentlich werden die beiden Hauptideen auch auf engem Raum miteinander konfrontiert, symbolisieren den aufgewühlten Zustand der Familie mit sinnfälligen Überlagerungen des Materials. Und wenn immer wieder gerühmt wird, wie sich Jerry Goldsmith den Schablonen der Taktbildung durch wechselnde Metren entzieht, dann höre man genau hin, wie dieses Verfahren auch hier (1954) zu einem prägenden Element der Komposition wird und ihre von den Zeitläuften unangekränkelte Erscheinung mitbestimmt. Innerhalb der FSM-Serie, mittlerweile auf fast 60 Titel angewachsen, zählt BROKEN LANCE zu den Top 10.
Matthias | 2002
BROKEN LANCE
Leigh Harline
Film Score Monthly
38:41 | 14 Tracks