Five Graves to Cairo

Miklós Rózsa

Intrada Special Collection ISC 355

72:37 Min./ 32 Tracks

In den Kriegsjahren 1943/44 bekam es auch Miklós Rózsa mit dem ein oder anderen Propaganda-Streifen zu tun. In welchem Grad der Patrotismus dabei jeweils ausfiel, lässt sich alleine schon an den Filmtiteln und/oder der Charakteristik der Musik erahnen. Am unverblümtesten dürfte hierbei So Proudly we hail ausgefallen sein, wo patriotische Weisen wie «The Star Spangled Banner» und «California, here I come» auf eine Art und Weise aufbereitet werden, die man eher einem Max Steiner zuordnen würde als Rózsa. Anders verhält es sich bei Dramatik und Romantik, die dann doch eindeutig ihren Urheber verraten.

In The Hour before the Dawn heiratet eine Nazi-Agentin einen englischen Pazifisten, der in der Nähe einer geheimen Militärbasis wohnt. Dieses Kriegsdrama mit Thriller-Elementen ist gewiss schon gewohnteres Rózsa-Terrain, nicht zuletzt weil er sich, seinen Film Noirs nicht unähnlich, im gut strukturierten Spannungs- und Dramatikaufbau beweisen kann. Wie ein Störfaktor wirkt hier hingegen das patriotische Finale, wo dem Komponisten wohl die Einbindung von «There’ll always be an England» aufgezwungen wurde.

Five Graves to Cairo ‒ der erste gemeinsame Film von Miklós Rózsa und Billy Wilder ‒ ist ein dramatisches Kammerspiel allererster Güte. In einem von Akim Tamiroff geführten, ägyptischen Wüstenhotel kommt es zum verhängnisvollen Zusammentreffen eines britischen Panzeroffiziers (Franchet Tone), des französischen Zimmermädchens Mouche (Anne Baxter), eines jungen, ambitionierten Nazi-Offiziers (Peter van Eyck), eines Generals, der das Klischee des ständig Opernarien schmetternden Italieners bedient (Fortunio Bonanova), sowie Generalfeldmarschall Erich Rommel, den Erich von Strohheim nach eigenem Gutdünken porträtieren durfte und mit seinem exzentrischen Auftritt dessen reale Persönlichkeit um Meilen verfehlte.

Von Five Graves To Cairo hat nicht der komplette Score überlebt, dafür enthalten die hier präsentierten, rund 33 Minuten auch Material, das der Schere zum Opfer gefallen war. Gibt das beeindruckende Prelude, wo massive Blechfanfaren und Streicher das Hauptthema zelebrieren, bereits den dramaturgischen Tarif durch, geht es in First Scene/Walk in the Desertdiesbezüglich nahtlos weiter, und Rózsa spielt bei seiner Beschreibung eines Marsches unter sengender Wüstensonne schon mal auch abenteuerlichere Klänge an. Dann erscheint bereits schon das von Rózsa mit allerlei militärischem Zierat und zuweilen leiser Ironie versehene Thema für den Wüstenfuchs in Herr Rommelund Herr Rommel Takes Coffee (wo auch das sensible Thema für Mouche ‒ wenig überraschend der Sologeige anvertraut ‒ erstmals erklingt).

Dramatik und Suspense spielen natürlich eine gewichtige Rolle in diesem Score, aber trotzdem findet Rózsa dazwischen auch Platz für ein wenig Humor, der vor allem für den Akim-Tamiroff-Charakter und in Form einer Tarantella für den italienischen General bestimmt ist. Und auch Patriotismus bleibt hier nicht ganz aussen vor, beschränkt sich aber auf eine Montage zum Schluss des Filmes, wo stramme Marschrhythmen, ein hymnenartiges Thema sowie das Hauptthema den Sieg der Allierten verhältnismässig überschwänglich feiern. Die Hymne bestreitet ‒ gemeinsam mit dem Mouche-Thema und «God save the Queen» auch das Finale und setzt einen standesgemässen Schlusspunkt hinter einen Score, der als äusserst geglückter Einstand für die Zusammenarbeit von Rózsa und Wilder bezeichnet werden kann.

The Man in Half Moon Street, von Intrada 2014 mit einer Neuaufnahme bedacht, ist hier im Original nochmals mit drei kurzen Tracks vertreten, wovon einer ‒ mit The Diary allerdings der kürzeste ‒ auf dem Rerecording nicht mit dabei ist. Wem die Kostprobe dieser düster-romatischen Komposition gefällt und der die Neuaufnahme noch nicht hat, weiss also, was er zu tun hat.

Miklós Rózsa hat bekanntermassen bloss zwei Western vertont. Der eine davon, Tribute to a Bad Man, dürfte dank der FSM-Veröffentlichung hinlänglich bekannt sein, wohingegen The Woman of the Town die wenigsten jemals gehört haben werden. Leider gibt es davon nur noch das Finale und das ist sehr schade, denn dieser Track, der sich aus einem Choral und dem volksliedhaften Hauptthema zusammensetzt, ist eine ganz feine Sache.

Mit dieser «Zusammenputzete» hat Intrada nun die Paramount-Archive in Sachen Rózsa leergeräumt und alles Verfügbare, das der Komponist für dieses Filmstudio produziert hat, veröffentlicht. Die Scheibe präsentiert eine recht interessante Schaffensphase Rózsas, und auch wenn der Klang zu Beginn noch Schlimmes befürchten lässt, kriegt er doch rasch die Kurve und bewegt sich im akzeptablen Bereich. Aber nicht nur deshalb ist diese CD natürlich Pflicht für jeden Rózsa-Sammler.

Andi, 5.7.2016