Fernsehdimensionen. Musikalischer Starter: Bernard Herrmann – Teil 2

von Phil Blumenthal

Bernard Herrmann als Komponist für die erste Season zu gewinnen, ist rückblickend gesehen schon ein Ereignis, auch deshalb möchte ich auf die Arbeiten Herrmanns ein wenig näher eingehen. Der eigenwillige Herrmann hatte damals bereits einige gewichtige Titel in seiner Filmographie (Vertigo, Garden of Evil, Snows of Kilimanjarostanden bereits, nebst anderen natürlich, zu Buche) und North by Nothwest und Psycho sollten kurz darauf folgen. Und nun war er beauftragt worden den Pilotfilm für die Serie zu vertonen. Zweifellos war The Twilight Zone ein ideales Vehikel innerhalb des Fernsehbusinesses für Bernard Herrmann. Die Ironie, der Sarkasmus, die befremdlichen und hoffnungslosen Situationen in denen sich die Protagonisten wiederfanden, das alles passte sehr gut zu Herrmann und seiner Art der Musik.

DER EINSTIEG (1959)

Das Titelthema von The Twilight Zone ist zum Ereignis geworden, fast so wie die Titelmusiken von Jerry Goldsmith zu Star Trek: Next Generation oder The Waltons. Doch es war nicht jenes avantgardistische, inzwischen Popkulturstatus geniessende Stück von Marius Constant, das die Episoden von Season 1 von Rod Serlings Serie eröffnete, sondern das von Herrmann geschriebene Titelmotiv, das als Opener unter Rod Serlings Off-Intro „You’re about to enter another dimension…“, als Titelsequenz, Pausenankündiger und Endtitelstück fungierte – wenigstens für eine Season: Markant ist das sich wiederholende, von Dur zu Moll wechselnde 2-Noten-Motiv für Holzbläser, gestopfte Trompeten und Streicher über einem Harfenostinato, das fast hypnotisch wirkt und erst kurz vor Ende der gezeichneten Titelsequenz diese Bahn durchbricht und an Vehemmenz zunimmt. Auf dem 4-CD Set von Silva Screen befinden sich vier alternative Titelthemen Herrmanns, wobei drei davon um einiges kantiger daherkommen als das schlussendlich für diese Season verwendete, mysteriöser angehauchte Stück. 

Herrmann benahm sich übrigens auch bei The Twilight Zone sehr eigenwillig und bestimmt, wie bei vielen anderen Gelegenheiten, in denen er sich mit den Filmemachern anlegte. So berichtet Produzent Buck Houghton von mehreren Abgängen Herrmanns, wenn es zu unterschiedlichen Meinungen kam. Der manchmal cholerische Komponist liess sich aber immer wieder dazu bewegen, zu Twilight Zone zurückzukehren.

WHERE IS EVERYBODY? 

(Pilotfilm, Season 1) 11:19 Min.
Where Is Everebody war der Pilotfilm der Serie. Er erzählt die Geschichte eine Mannes, der sich in einer völlig menschenleeren Umgebung wiederfindet. Die Kleinstadt, die er betritt, ist wie ausgestorben. Er erinnert sich an nichts und gerät auf der Suche nach (k)einer menschlichen Seele in einen zunehmend panischen Zustand, bis er unversehens aus diesem „Alptraum“ geweckt wird. 

Bernard Herrmanns Musik unterstreicht die Panik, die völlige Verunsicherung und die Verwirrung des Protagonisten (und die des Zuschauers, der bis zum Ende im Unklaren gelassen wird, was dem Mann widerfahren ist). Mit einer ausgeklügelten Orchestration (die Budgets für The Twilight Zone waren immer sehr marginal und für grössere Orchester war kaum Platz) sorgt er nach einem kräftigen, unverkennbar dem Komponisten zuzuordnenden Eröffnungsstück für eine klaustrophobische Stimmung, die jedem Hitchcock Film gut anstehen würde. Er verwendet ein 3-Noten Motiv, das er über die Instrumentengruppen (zumeist Streicher, tiefe Holzbläser, gestopftes Blech) repetieren lässt und im Verlauf zu einem 4-Noten-Motiv ausbaut, sowie ein an das Titelstück angelehnte 2-Noten-Motiv. Herrmann arbeitet ausserdem mit einer Art Zeitmotiv, das man durchaus mit ähnlichen Passagen aus Alien vergleichen kann. Für eine TV-Serie eine ausgesprochen komplexe und ganz schön nervenaufreibende Musik.

WALKING DISTANCE 

(Folge 5, Season 1) 12:24
Nach einer Originalgeschichte von Rod Serling drehte Robert Stevens diese nostalgische Folge mit hübschen, magischen Momenten und einer moralischen Note, wie sie in der Twilight Zone immer mal wieder zu sehen oder zu hören war. Als ein Mann in der Nähe seines Heimatortes durchfährt, entscheidet er sich seine alte Heimat zu besuchen. Als er dort ankommt, scheint die Zeit still gestanden zu sein. Alles scheint wie früher, die Menschen, die Strassen, die Läden. Und als er schliesslich einen Jungen trifft und sich ihn im selber erkennt, muss er entscheiden ob er auf dessen und also sein Leben Einfluss nehmen oder der Vergangenheit nicht weiter nachtrauert und dem Lauf der Dinge seinen Gang lassen soll.

Der Score zu Walking Distance wird durch einen leisen Walzer eröffnet, der unschuldige Kindheitserinnerungen assoziert. Als sich der Protagonist entscheidet, den für ihn nicht unbeschwerlichen Weg in seinen Heimatort auf sich zu nehmen, steigert Herrmann die Dramatik mit Celli und Bratschen ehe er magische aber auch trügerische Momente erklingen lässt, wenn der erwachsene Martin sich in der Stadt umsieht und Zeichen seiner Kindheit wiederfindet. Einen der schönsten Momente erhält „Walking Distance“ in der Szene, in der der kindliche Martin verunfallt und wie in einer Zeremonie durch die Stadt getragen wird. Herrmann gestaltet dies sehr bewegend und poetisch in einem der musikalisch schönsten Momente der ganzen Serie. Ein wirklich in allen Belangen gelungener, gefühlvoller Episodenscore.

THE LONELY

(Folge 7, Season 1) 11:06
The Lonely gehört wie Walking Distance ebenfalls zu den populärsten Epidsoden der Serie: Jack Warden spielt den verurteilten Straftäter Corry, der seine Strafe völlig isoliert auf einem Asteroiden absitzen muss. Hin und wieder erhält er Vorräte, die ihm mit einem Raumschiff gebracht werden. Seine einsame Zeit wird schliesslich versüsst, als die Crew ihm einen „weiblichen“ Androiden, Alicia, gespielt von Jean Marsh, mitbringt. Corry verliebt sich in sie, doch als ihm seine Strafe erlassen wird und er zurück auf die Erde kehren darf, bleibt kein Platz im Raumschiff für Alicia.

Harfe und hallende Klängen des Vibraphons geben treffend die Leere und Hitze auf dem wüstenänlichen Asteroiden wieder (tatsächlich wurde im Death Valley gefilmt, ein Ort, der noch für einige Episoden herhalten sollte). Gepaart mit gestopften Trompeten und Posaunen wird diese einsame Atmosphäre erst mit der Landung des Raumschiffs durchbrochen, die Herrmann betont atonal und mit einer kurzen Kakaphonie untermalt, während Alicia mit einem hingebungsvollen Motiv für Trompete intoniert wird. Die Beziehung zwischen Corry, der nicht nur jemanden zum Reden sondern auch seine Liebe gefunden hat, umgibt Herrmann mit einer delikaten Stimmung ehe er in den Schlusssekunden die für Corry so grausame, endgültige Entscheidung auch musikalisch klarstellt.

The Hitch-Hiker (Folge 16, Season 1) 7:10
Eine besondere Situation ergab sich für The Hitch-Hiker. Herrmann schrieb 1941 die Musik für die Radioversion, die im Rahmen der Sendung „The Campbell Playhouse“ ausgestrahlt wurde, beruhend auf einer Story von Herrmanns damaliger Frau Lucille Fletcher. Man entschied sich für die Twilight Zone Episode Auszüge dieser Musik zu verwenden, so dass Herrmann hierfür keine neue Musik schreiben musste. In „The Hitch-Hiker“ trifft eine junge Frau (Inger Stevens) auf ihrer Autofahrt immer wieder auf den gleichen Autostopper, der sie mit seinem ständigen Auftauchen und der kurz angebundenen Frage „Going my Way?“ mehr und mehr in Panik versetzt.

Herrmanns Musik unterstreicht mit ihrem 4-Noten Motiv, das ohne weiteres an jenes aus Cape Fear zu erinnern vermag, die geisterhaft greussliche Stimmung, die Inger Stevens hier widerfährt, wenn sie derselben Person immer und immer wieder begegnet. Eine kraftvolle und energetische Musik für Blech- und Holzbläser, zusammengefasst in einem selbst für Twilight Zone Verhältnisse relativ kurzen Score. 

Library Music:
Zu jener Zeit war es üblich vermehrt auch auf Library-Musiken zurückzugreifen, die von Vertragskomponisten eingespielt wurden. Die sogenannte „The Outer Space Suite“ hat Herrmann 1957 für die CBS aufgenommen und Teile daraus fanden in der Folge People Are Alike All Over, der 25. von Season 1., Verwendung. 
Library Music ist immer eine etwas durchzogene Sache. Manchmal, insbesondere wenn sie aus der Feder eines einzelnen Komponisten stammt, funktioniert das besser als wenn eine kunterbunte Mischung verwendet wird. Für „People Are Alike All Over“ darf man zwar von einer eher geglückten Verwendung sprechen, allerdings hinterlässt die komplette Suite, unterteilt in 10 Tracks, auf dem Silva Treasury 4-CD-Set The Twilight Zone – 40th Anniversary Collection einen etwas durchzogenen Eindruck. Herrmann verwendet oftmals das in „Prelude“ eingeführte „Zeitmotiv“, das die unendlichen Reisen in den Weiten des Alls darstellen soll. Als Hörerlebnis ist das nicht gerade umwerfend, weil diese Library Suite konzeptuell sich mit nur wenigen Ausnahmen immer um dieselbe musikalische Motivation dreht und gestützt auf ein 2-Noten Motiv schon sehr wenig Abwechslung bietet. (Ende Teil 2)

24.4.2009