Phils komprimierte 42

DER LÄUFER beruht auf der wahren Geschichte es Spitzensportlers und Waffenläufers Jonas Widmer (in Wahrheit hiess er Mischa Ebner), der in Bern Frauen angriff und Entreissdiebstähle durchführte. Bei mehreren Tötungsdelikten starb schliesslich eine Frau – auch durch die Berichterstattung einer Boulevardzeitung konnte der Täter schliesslich ermittelt werden.
Diese Geschichte erzählt Hannes Baumgartner in seinem Erstling. Ihm gelingt dabei ein Porträt eines jungen Mannes, der unter seinen Kindheitserinnerungen und dem Freitod seines geliebten Bruders leidet. In DER LÄUFER wird nie ganz aufgeklärt, wieso er zu diesen Gewalttaten griff – Baumgartner und sein Mitautor Staub lassen den Zuschauer bewusst im Dunkeln. Durch seinen Sport und eine Beziehung findet Widmer zwar Halt, doch als er sich verletzt und pausieren muss und in seinem Lehrbetrieb von einer Kollegin zurückgewiesen wird, scheint dieses Gleichgewicht völlig ausser Kontrolle zu geraten.
Baumgartner lässt das Ende offen, will man mehr wissen muss man googeln, kann man aber mit einem solchen Ende umgehen, umso besser. Ein recht nüchtern gehaltener Film mit ordentlichen Schauspielerleistungen, so gut kann Schweizer Film auch sein.
Erscheinungsdatum: 4.2.2019

 

 

Bemerkens- und nicht weniger lobenswert, wenn Filmemacher heutzutage noch analog drehen, so auch Roman Polanski mit seinem Psychothriller D’APRÈS UNE HISTOIRE VRAI.
Delphine (Emmanuelle Seigner) ist eine erfolgreiche und gefeierte Schriftstellerin, doch bald erhält sie anonyme Briefe, in denen ihr vorgeworfen wird, sie würde ihre Familiengeschichte für ihren Ruhm ausschlachten. Delphine zieht sich zurück und leidet unter einer Schreibblockade als sie eine geheimnisvolle Frau (Eva Green) kennen lernt, die mehr über Delphine weiss als sie zugibt – als Delphine merkt, dass sie manipuliert wird, ist es schon fast zu spät.
Polanskis Film ist ein ruhiger, stiller Vertreter seines Genres, ein mysteriöses Kammerspiel dem aber es aber an filmischen Glanzlichtern fehlt, fast als ob die Magie Polanskis ein bisschen verloren gegangen wäre.
Alexandre Desplats Musik bleibt zurückhaltend, begleitet unauffällig und doch wäre die eher kurze Musik eine CD-Veröffentlichung wert gewesen.
Erscheinungsdatum: 11.10.2018

 

 

Endlich hat es Terry Gilliam nach mehreren Anläufen geschafft sin Don Quixote Projekt doch noch zu verwirklichen. Unter dem Strick steht unter anderem ein nie zu Ende gedrehter Film, der Ausgang für die tolle, Aufsehen erregende Doku LOST IN LA MANCHA (2002) war. 27 Jahre später ist sein Film abgedreht, Gilliam hat Don Quixote in THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE doch noch zu filmischem Leben erwecken können und liefert ein typisches Gilliam Werk ab, schräg, kompliziert und auch ein bisschen zu lang. Dennoch ist der Film ein Ereignis, wunderbar gespielt von Jonathan Pryce als Don Quixote und Adam Driver (THE FORCE AWAKENS) als snobistischer Regisseur, der unter gehörigem Druck steht Miguel de Cervantes y Saavedras Erzählung auf Film zu bannen… und sich bald in seine Vergangenheit zurückversetzt sieht, als er als junger Filmstudent den Stoff schon einmal verfilmte.
THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE ist nicht BRAZIL und auch nicht THE IMAGINARIUM OF DOCTOR PARNASSUS. Das letzte Drittel des Films ist zäh, unauflöslich wie schlechtes Brausepulver und teils arg gekünstelt. Gilliam halt. Und trotzdem ist der Film speziell genug um im Nachhall noch zu wirken.
Am besten weg aber kommt die herrliche Musik von Roque Baños mit ihrem spanischen Flair. Eine Filmmusik, die zu den besten des vergangenen Jahres gehört.
Erscheinungsdatum: 30.1.2019

 

 

Burt Reynolds in seinem letzten Film zu sehen, ist nicht nur traurig, man sieht ihm auch an, dass er krank und wirklich gebrechlich geworden ist. In THE LAST MOVIE STAR von Adam Rifkin spielt Reynolds den alternden Filmstar Vic Edwards, der in Nashville für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden soll. Erst spät erkennt er, dass es sich um ein kleines Amateurfilmfestival handelt, dem in einer kleinen Bar ein paar kauzige Fans beiwohnen. Vic setzt sich enttäuscht und desillusioniert ab, befreundet sich dabei mit seiner für das Festival abgestellten Assistentin Lil (Ariel Winter) und macht mit ihr einen Road Trip in die Vergangenheit.
Reynolds spielt hier Reynolds, die Ausschnitte, die bei der Preisverleihung gezeigt werden, stammen fast alle aus seinen Filmen. THE LAST MOVIE STAR ist liebenswert und in Teilen ganz witzig mit seinen in-jokes und Details aus dem Leben Reynolds, doch Rifkin kommt nicht über ein paar netten Szene und altbackene Generationenwitze hinaus. Schade für den letzten Film mit Burt Reynolds… als Burt Reynolds.
Erscheinungsdatum: 29.11.2018

 

 

Lieber spät als nie, so geschah es mit John Crowleys BROOKLYN, der gute zwei Jahre im Stapel «unbedingt noch gucken» schlummerte. Doch ihn dort verstauben zu lassen, tut John (A BOY) Crowleys Film wirklich unrecht. BROOKLYN ist ein wundervoller, einfühlsamer Liebesfilm nach Nick Hornbys Drehbuch, in den 50er Jahren spielend als Eilis (Saroise Ronan) ihre Heimat in Irland verlässt um in BROOKLYN ihr Glück und Arbeit zu finden. Dort jobbt sie in einem gehobenen Warenhaus, doch das Heimweh und die Erinnerungen an ihre geliebte Schwester wiegen schwer, Eilis ist sehr unglücklich. Erst als sie Tony (Emory Cohen) kennen lernt und sich in ihn verliebt, ist sie endlich in Brooklyn angekommen. Als ihre Schwester unversehens stirbt, will Eilis für ein paar Wochen zurück nach Irland, zuvor aber heiratet sie Tony. In Irland angekommen stellen ihr ihre Mutter und Freunde den jungen Jim Farrell (Domhnall Gleason) vor, ausserdem erhält sie ein Jobangebot. Es scheint als würde sie nun auch in Irland ihr Glück finden…
BROOKLYN wurde nicht zu Unrecht für drei Oscars nominiert, darunter als bester Film und Saroise Ronan für ihre fein gespielte Hauptrolle. Erwähnenswert ist auch Michael Brooks’ Musik. Der kanadische Komponist hat zuvor für Sean Penn INTO THE WILD sowie die Scores zu SUGAR, THE FIGHTER und letzthin STRONGER geschrieben. Seine BROOKLYN Musik ist es alldieweil wert abseits vom Film gehört zu werden.
Erscheinungsdatum: 8.6.2016

 

 

APPLE TREE YARD, nach einem Beststeller von Louise Doughty, ist eine vierteilige, britische Mini-Series der BBC und von den Machern von BROADCHURCH. Yvonne Carmichael (Emily Watson) ist eine angesehene Londoner Wissenschaftlerin, deren Ehe nicht mehr reibungslos verläuft. An einem Symposium lernt sie einen unbekannten Mann (Ben Chaplin) kennen und stürzt sich mit ihm in eine heisse Affäre, die sie sehr geniesst. Nach einer Party wird sie in angetrunkenem Zustand von einem Berufskollegen missbraucht und schliesslich erpresst. Ihr Liebhaber, der beim Geheimdienst arbeitet, will danach mit dem Übeltäter eine kleine Unterredung halten…
Eine Geschichte, die uns allen passieren könnte, wer ist schon perfekt? Doch Yvonne und Mark verstricken sich so sehr in Affäre und Tat, bis es keinen Ausweg mehr zu geben scheint. Eheprobleme, Affären, Problemkinder vereint in einem gut gemachten, hervorragend gespielten Psychodrama – und garantiert ohne Serienmarathoneffekt!
Erscheinungsdatum: 12.3.2018