Lonely are the Brave

«Don’t use that music – it’s too damn good for the picture!», riet Bernhard Herrmann dem aufstrebenden Jerry Goldsmith während einer Aufnahmesession zu Lonely are the Brave. Damit schätzte er die Qualität der Musik fraglos richtig ein, tat dem Film aber meiner Meinung nach Unrecht. Der Gegenwartswestern warf zwar anfänglich tatsächlich keine hohen Wellen, sein Ansehen wuchs aber mit der Zeit, und heute geniesst er zumindest den Status eines Geheimtipps; nicht umsonst nennt ihn Kirk Douglas stets als persönlichen Favoriten unter seinen Filmen.

Douglas spielt in einer seiner entspanntesten und sympathischten Darstellungen Jack Burns, der ein anachronistisches Cowboyleben führt und sich weigert, seine Moralvorstellungen und seine Unabhängigkeit einer modernen und zynischen Gesellschaft zu opfern. Nach einem Roman von Edward Abbey, ist das Drehbuch von Dalton Trumbo vor allem ein Plädoyer für Individualität sowie Loyalität und Respekt gegenüber Mensch, Tier und Umwelt. Werte, nach denen sich gerade heute viele Menschen zurücksehnen, und deshalb ist der Film keinen Deut weniger aktuell als im Jahre 1962.

Für Jerry Goldsmith bedeutete Lonely are the Brave den endgültigen Durchbruch, und obwohl in diesem Score noch Einflüsse eines Alex North, Jerome Moross oder Elmer Bernstein vorhanden sind, erstaunt es, wie persönlich die Musik des damals gerade mal 33-Jährigen im Grossen und Ganzen bereits klingt. Vor allem beim omnipräsenten Hauptthema – das natürlich Jack Burns zugeordnet ist – ist der Meister der thematischen Verarbeitung praktisch schon auf der Höhe seiner Kunst. Goldsmith fügt dem ohnehin vielschichtig gezeichneten Charakter in feinen Nuancen weitere Tiefgründigkeit zu, fühlt mit Gitarre, Harmonika oder Holzblasinstrumenten Burns Sehnsüchten, Zweifeln und Ängsten auf den Zahn, und es ist die Solotrompete, die der Komponist hier wie auch später (etwa in Chinatown oder First Blood) für die Isoliertheit gesellschaftlich Aussenstehender verwendet.

Das Hauptthema dient in grossen Outdoor-Auftritten aber auch als Indikator dafür, dass Burns eins ist mit der ihm vertrauten Landschaft, und in den ausgedehnten Verfolgungszenen der wilden Entschlossenheit des aus dem Gefängnis Geflohenen, der Polizei (mit einem herrlich lakonischen Walter Matthau als griesgrämiger und gelangweilter Sheriff) über die mexikanische Grenze zu entkommen. Eingebettet ist es in progressive Action und Dramatik mit viel Blech und komplexen, mitreissenden Rhythmen, und damit kündigt sich hier ein weiteres Markenzeichen Goldsmiths an. Für besondere Momente abseits des Hauptthemas sorgen beispielsweise ein schmerzvolles Liebesthema, Mariachiklänge, eine Prise Humor für einen nicht gezeigten Hund oder eine kurze, trügerische Idylle mit imitiertem Vogelgezwitscher. Da der Score in leiser Elegie ausklingt, lässt Goldsmith dem Hörer nach dem Genuss der Musik viel Raum zum Nachdenken.

Zwar ist diese CD nur in Mono, aber der Klang ist recht räumlich und klar und dürfte selbst verwöhnte Ohren einigermassen zufriedenstellen. Die alten Bootlegs haben diesbezüglich und auch inhaltlich (Varése bietet den kompletten Score plus unverwendete und deshalb – abgesehen von Catastrophe – keine spezifische Titel tragende Tracks) jedenfalls nichts entgegenzusetzen und können ab sofort in Rente geschickt werden. Der Score gehört definitiv in jede Goldsmith-Sammlung, aber beim Zeitpunkt des Erscheinens dieser Rezension dürfte es bereits letzte Eisenbahn sein, noch ein Exemplar zu erhaschen.

Parallel zur CD erschien Lonely are the Brave auch auf einer Region-1-DVD, mit einem zehnminütigen Feauture, wo Robert Townson Charakteristik und Funktion der Musik erläutert und anhand kurzer Ausschnitte auch gezeigt wird, welche Wirkung das nicht verwendete Catastrophe in den entsprechenden Szenen gehabt hätte. Eine begrüssenswerte Veröffentlichung, weil dieser Film, bei dem nur die Bilder schwarzweiss sind, immer noch viel zu wenig bekannt ist. Wer sich etwas Gutes tun will, sollte sich deshalb sowohl CD als auch DVD zulegen.

Andi, 22.8.2009

 

LONELY ARE THE BRAVE

Jerry Goldsmith

Varése Sarabande Club VCL 0609 1094

62:31 Min. / 24 Tracks

Limitiert auf 3000 Stk.