Hurricane

Trotz grossem Aufwand und ansehnlicher Besetzung (Max von Sydow, Jason Robards, Mia Farrow, Trevor Howard, Timothy Bottoms) schlug das von Dino De Laurentiis produzierte Remake eines alten John-Ford-Filmes keine grossen Wellen. An den Katastrophenfilm-Nachzügler von 1979, in dem ein Südsee-Eiland von einem Wirbelsturm heimgesucht wird, erinnert man sich heutzutage in erster Linie noch deshalb, weil er die letzte Filmmusik von Nino Rota enthält. Und der beweist mit viel Leidenschaft und sicherem Gespür für Romantik und eingängliche, stets interessant gestaltete Themen auch hier nochmals, weshalb er zu den ganz Grossen gehört.

Für HURRICANE studierte Rota polynesische Musik, und dies schlägt sich im Gebrauch von Eingeborenen-Trommeln nieder, die er oft und gerne für rituelle Klänge, aber auch ‒ zusammen mit Blechbläsern etwa ‒ zur Spannungssteigerung einsetzt. Für die romantischen und verträumten, ja geradezu paradiesischen Stimmungen, die das ebenfalls polynesisch gefärbte «Insel-Thema» beherrschen, ist hingegen primär die Steel-Gitarre zuständig, aber auch wortlose Chöre, Gitarren-, Xylophon- und Holzbläser-Soli tragen das ihrige zu einem Südseezauber bei, der teilweise etwas klischeehaft sein mag, dem man sich jedoch schwerlich entziehen kann und will. Jazz-Bearbeitungen des Themas rufen die Zeit in Erinnerung, in der der Film spielt, nämlich die 1920er-Jahre.

Ganz anderer Natur ist das schicksalsschwere Liebesthema im Dreivierteltakt, das nicht nur gepfiffen und von Blockflöten vorgetragen wird, sondern zuweilen mit Streichern und Mandolinen auch eine Insel fernab der Südsee heraufbeschwört, die eng mit einem früheren (und dem vermutlich populärsten) Score Rotas verknüpft ist. Das dritte wichtige Thema ist dem Antagonisten des Films, Bruckner (Robards) gewidmet und durchbricht die vorherrschende Idylle ‒ gerne durch den dunklen Klang des Englischhorns ‒ mit Misstrauen und Unbehagen. Nicht mehr viel übrig bleibt von der vom Komponisten mit feinem Pinsel skizzierten Lebensfreude in den letzten Tracks, wo sich die Auswirkungen des Hurrikans wie eine lähmende Traurigkeit auf die Musik auswirken.

Varèse bringt erneut den 38-minütigen LP-Schnitt von 1979 in Umlauf, der bereits 1995 von Legend schon mal auf Silber gepresst wurde, und diese Version ist somit die bisher einzig erhältliche. Da ich den Film noch nie gesehen habe, kann ich nicht sagen, ob sie den kompletten Score repräsentiert. Die ohnehin nicht wirklich ergiebigen Liner Notes dieser CD erwähnen zwar mehrere Stunden Orchesteraufnahmen, gehen jedoch nicht weiter ins Detail, ob es sich dabei um eine Ansammlung diverse Takes und Alternates einzelner Cues handelt. Aber so oder so, diesen wunderbaren Rota sollte man sich nicht entgehen lassen. Insbesondere Romantiker und jene, die gerne durch Musik vom Fernweh gepackt werden, sollten sich davon in grossem Masse angesprochen fühlen.

Andi, 15.10.2018

HURRICANE

Nino Rota

Varèse Sarabande

38:06 Min.
16 Tracks