Hans Zimmer – Live in Prague

Ennio Morricone macht es mit seiner Konzert-Tournee seit einigen Jahren vor und Hans Zimmer ist nun ebenso erfolgreich nachgezogen: ihre Filmmusik-Evergreens füllen auch die Konzertsäle bzw. Stadien und Arenen. Notiz am Rande: Kollege James Newton Howard startete im November 2017 auch eine Tournee, doch mussten bis dato wegen ausbleibenden Ticketverkäufen an mehreren Locations die Konzerte wieder abgesagt werden (so auch in Zürich und in Genf) und auch das Retrospektive-Konzert JAMES HORNER: A LIFE IN MUSIC scheint verhalten aufgenommen zu werden – schade, wäre die Musik doch mindestens ebenso gut. Doch zurück zu Hans Zimmer: seine Konzerte füllen die Hallen in allen Ausgestaltungen – sei es als Themenkonzert für Sinfonieorchester und Chor, als integrale Film-Musik-Aufführung von GLADIATOR, INTERSTELLAR oder den PIRATES OF THE CARIBBEAN-Filmen oder, wie im vorliegenden Fall, als «Rock-Band»-Version mit Chor, namhaften Solisten und vielen Show-Effekten. Hierin dürfte denn auch der «Hop oder Flop»-Faktor für die Zuhörer liegen: das Programm von HANS ZIMMER – LIVE IN PRAGUE präsentiert weltberühmte Filmthemen, die im Original für kleine, teils elektronische Formationen aber auch für Sinfonieorchester und Chor geschrieben sind, allesamt als «Rock-Band»-Version. Damit erhalten die bekannten Originale neue Facetten – mal gelungen, mal nicht – aber auch aus finanzieller Sicht dürfte diese «Vereinheitlichung» gewählt worden sein, blieb damit doch wohl die Anzahl involvierter Musiker etwas überschaubarer. Während dieser «Rock-Band»- und Synthi-Overdub-Charakter bei Auszügen aus DRIVING MISS DAISY, ANGELS & DEMONS, TRUE ROMANCE und INCEPTION einigermassen funktioniert, werden Suiten aus GLADIATOR, THE DA VINCI CODE, THE LION KING oder auch PIRATES OF THE CARIBBEAN dadurch jedoch misslich «plafoniert».

Das 2-CD-Set eröffnet mit einer «Ouverture»-Suite aus DRIVING MISS DAISY, SHERLOCK HOMES und MADAGASCAR 2 – eine merkwürdige Kombination mit kaum gemeinsamen Nennern. Im «Gesamt-Drive» funktioniert das aber irgendwie. Danach wird es jedoch obskur – in fünf Suiten mit fast 45 Minuten Laufzeit werden Themen aus CRIMSON TIDE, ANGELS & DEMONS, GLADIATOR, THE DA VINCI CODE, THE LION KING und PIRATES OF THE CARIBBEAN «verwurstelt». Allesamt klingen diese Scores im Original um Meilen besser, weshalb hier wohl nur die «experimentierfreudigen» Hörer gerne die Replay-Taste drücken. Die Melodien sind alle hier, aber die «Rock-Band»-Orchestration beraubt die Kompositionen um deren Epik, Fülle und Dramatik – GLADIATOR und DA VINCI CODE will man so einfach nicht hören, sorry. Die erste CD klingt dann mit TRUE ROMANCE und RAIN MAN etwas «versöhnlicher» aus, da diese Musik im LIVE IN PRAGUE-Klangstil einfach besser funktionieren.

Die zweite CD eröffnet mit der Evergreen-Komposition «What Are You Going To Do When You’re Not Saving The World?» aus MAN OF STEEL. Eine coole Nummer, auch in der vorliegenden Version. Hingegen vermag man sich dann mit der Konzertversion vom weltberühmten Stück «Journey to the Line» aus THE THIN RED LINE wieder nicht wirklich anfreunden. Dass die «Electro Suite» mit ins Programm genommen wurde, überrascht eher. Hätten Themen aus POINT OF NO RETURN, THELMA & LOUISE, DAYS OF THUNDER, THE POWER OF ONE oder A LEAGUE OF THEIR OWN nicht besser funktioniert? Die «Electro Suite» funktioniert als «Rock-Band»-Arrangement nicht wirklich. Auch das «Medley» aus der DARK KNIGHT TRILOGY (wobei die Themen aus den Filmen THE DARK KNIGHT und THE DARK KNIGHT RISES stammen; BATMAN BEGINS ist nicht in die Suite eingearbeitet) erklingt hier «flacher» als im Original und das Stück «Aurora», das durchaus mit Interesse «angesteuert» wird, entpuppt sich nach langem Monolog von Zimmer als eher «blasses» «In Memoriam»-Stück, das befremdlich «tiefgangarm» ausklingt – kaum ausgeklungen, ist’s vergessen; schade.

Den Schluss machen Suiten aus INTERSTELLAR und INCEPTION – wohl zwei der besten Arbeiten von Hans Zimmer, die im Filmkontext als auch als reines Hörerlebnis sehr überzeugend sind. Und diese Suiten vermögen auch im «Rock-Band»-Setting mit ihren Reizen zu bestechen, womit HANS ZIMMER – LIVE IN PRAGUE einen schönen Abschluss findet.

Die hier präsentierte Auswahl im wohl bewusst auf Showeffekte ausgelegten Klanggewand ist eine gemischte Angelegenheit. Das Konzert vermochte weltweit hunderttausende Zuhörer anzulocken und war bis dato ein gigantischer Erfolg – auch in CD, DVD und Vinyl-Form –, doch auch die wiederholten Aufführungen im Hallenstadion Zürich vermochten den Reviewer nicht zu einem Besuch zu bewegen – zu sehr schätze ich die präsentierten Melodien im Original bzw. wäre meiner Meinung nach eine durchgehend sinfonische Orchestration für die Mehrheit der hier präsentierten Filmmusiken vorteilhafter gewesen. Doch letztlich ist dies reine Musikgeschmacksache. Für Fans des Konzerts und damit als Souvenir ist dieses 2-CD-Set sicherlich zu empfehlen, doch für Fans der Originale dürfte diese Darbietung eine überwiegend irritierende Angelegenheit sein, die im CD-Regal neben den Originalaufnahmen wohl ein Schattendasein zu fristen hat.

Basil, 4.1.2018

HANS ZIMMER – LIVE IN PRAGUE

Hans Zimmer

Eagle Rock (Universal)

124 Min. / 15 Tracks

 

 

 

 

 

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