First Man

Ich gebe es zu, als ich die (logische) Wahl Damien Chazelles für seine Musik zu FIRST MAN las, habe ich etwas mit der Nase gerümpft. Der erste Hördurchgang war denn auch eine verwundert bemühte Angelegenheit, der zweite immer noch deutlich schwerfälliger von sich gehend als Buzz Aldrins auf dem Mondgehüpfe. Erst nach Filmgenuss zeigte sich die Bedeutsamkeit von Hurwitzs Score, gehört FIRST MAN doch nicht zu der Art wir-sind-die-Grössten-Spacefilme, wie man es vielleicht hätte erwarten können, sondern zeigt vielmehr realistisch und biographisch die erstaunlich fragile Figur von Neil Armstrong, der sich selber nie als America’s hero fühlte. Der Film von LA LA LAND Macher Chazelle hat mich beeindruckt, deutlich mehr als sein Musical mit den beiden dünnstimmigen Hauptdarstellern Emma Stone und Ryan Gosling – mich schaudert immer noch wenn ich an deren Sangeskünste denke (nein, es müssen keine schmetternd kitschigen Musicalstimmen sein, aber etwas mehr Umpf im Volumen und ein wenig Gesangskönnen, das über dem eines biederen DSDS Kandidaten zu liegen kommt, hätte es schon sein sollen).

Gosling kehrt für FIRST MAN zurück und gefällt in der Rolle des in sich gekehrten ersten Manns auf dem Mond. Ebenso ist auch Hurwitz wieder vertreten, der sich vorletztes Jahr den Oscar für LA LA LAND sicherte, für Song und Score. Längst sind solche Filmmusik-Oscars keine Garantie mehr für steile Karrieren in einem Metier, das mehr und mehr von Namen durchmischt wird, die man noch nie gehört hat und die oft auch ganz fix wieder im Niemandsland verschwinden. Erinnert sich noch jemand an Ludovic Bource (THE ARTIST)? Und auch Mychael Danna (LIFE OF PI) ist irgendwie bei den Indies stecken geblieben. Kaczmarek (FINDING NEVERLAND) hat ebenfalls keine Blockbuster unter die Tasten gekriegt. Doch zurück zu FIRST MAN.

Hurwitzs durchaus minimalistische Komposition passt perfekt zu Chazelles Film, für den der Komponist viel rumexperimentierte und sogar, fast klingt es wie ein Klischee, das Theremin (Armstrongs Lieblingsinstrument) einsetzte. Keine Angst, es klingt nicht wie eine Persiflage der Science-Fiction Filme der 50er Jahre, Hurwitz (der das Instrument hier selber spielt) fügt das nicht einfach zu beherrschende, elektronische Instrument zwar gut hörbar aber mit Fingerspitzengefühl in seinen Score ein.
Dominiert wird seine Musik von zwei oftmals von der Harfe gespielten Motiven. Beide sind, so man kurz reinskippen möchte, gleich nacheinander in «Sextant» und «Squawk Box» zu hören sind. Das Hauptthema zeigt sich in seiner vollen Blüte in ¾ Takt in «Docking Waltz» und man muss nicht lange überlegen woher die Inspiration für diese Szene bei Filmemacher und Komponist stammen könnte.

Ein erstaunlicher, oftmals zerbrechlicher und zurückhaltender, aber haften bleibender Score zu einem der besten Filme des vergangenen Jahres, der den Amis und wohl auch den Oscarmitgliedern scheinbar kritischer und zu wenig amerikanisch rüberkam, als sie und das Kinopublikum es bei der Thematik erwarteten. Und so hat sich FIRST MAN langsam aber stetig von der grauen Maus zu einem meiner Jahresfavoriten 2018 entwickelt.

Phil, 28.2.2019

 

FIRST MAN

Justin Hurwitz

Back Lot Music

68 Min.
37 Tracks