Windows

Das nenne ich doch mal eine kleine, wenn auch nicht überragende Morricone-Besonderheit in all den vielen, vielen Re-Issues, Extended Editions & Co., die dem Italiener in der letzten Zeit zu Teil werden. Windows ist ein Thriller vom hochgeschätzten Kameramann Gordon Willis (The Godfather 1-3, All the President’s Men), der hier seine erste und gleichzeitig letzte Regiearbeit ablieferte. Erzählt wird die Geschichte der scheuen, in sich gekehrt lebenden New Yorkerin Emily (Talia Shire aus Rocky), die das sonderbare Interesse ihrer Nachbarin weckt, welche in ihr ein scheinbar attraktives und schwaches Opfer sieht. Um Emily in ihre Arme zu treiben, heuert sie gar einen Ganoven an, der sie mit Vergewaltigung und Tod bedroht.

Es ist einige Zeit her, dass ich den Film aus dem Jahr 1980 gesehen habe, in allzu guter Erinnerung ist er nicht haften geblieben, aber dass der Streifen damals einen solchen Aufruhr bei homosexuellen Gruppierungen hervorrief, wurde mir erst mit dem jetzigen Release dieser wenig bekannten Morricone Musik bewusst. Die heraufbeschworene Protestwelle und der Misserfolg des Filmes jedenfalls besiegelten Willis Ende als Regisseur. Bei diversen Woody Allen Filmen und Presumed Innocent u.a. führte er allerdings danach weiterhin die Kamera, sein letzter Film als Director of Photography war 1997 The Devil’s Own.

Anders als es die Kurzbeschreibung oben vermuten lässt, betritt die Musik nicht etwa nur Thrillerpfade, auch wenn es dafür einige Momente in der dreiviertelstündigen CD gibt. Vielmehr spielt Morricone die klaustrophobischen Momente und das Gefühlschaos der Protagonisten an.

Morricone eröffnet mit dem Hauptthema für Klavier, Harpsichord, Harfe, Querflöte und Streichern in A Terrific View, in gedrückterer Stimmung in Dawning wiederkehrend und in Track 13, mit selbem Namen wie beim Eröffnungstitel, voll aufschwingend. Ein weiteres, öfter verwendetes Thema ist jenes von Emilys „Widersacherin“ Andrea, das mit dem Hauptthema nahe verwandt ist. Es ist trauriger und schwermütiger, in I Know What You Want in denselben Orchestrationen verweilend und eröffnet den Charakter der unberechenbaren Andrea, in Stand Still in den tiefsten Gefühlen oder in Please Please Please in beinahe romantischer Schönheit gipfelnd.

Thrillerelemente sind zum ersten Mal in The Cab Ride zu vernehmen mit atonalen Klanggebilden und forcierten staccati. Night in the Cityspielt in ähnlichen Bahnen, jedoch mit einem unüberhörbaren, rauchigen Jazzfeeling (Rhythmussektion, die Solotrompete vom Maestro selbst gespielt) und Tonexperimenten (à la Freejazz). Wie öfters bei Morricone sind es aber diese Suspensestücke, die als recht redundant auffallen und über die Länge des Scores nicht so richtig in Fahrt kommen.

Die CD präsentiert den gesamten Score von Morricone, von dem Willis eine knappe halbe Stunde in den Film übernommen hat. Ausserdem ist sie nicht chronologisch angeordnet, wie aus dem Booklet zu vernehmen ist. Die Liner Notes von Daniel Schweiger übrigens sind bemerkenswert ausgefallen, so wie es man sich von manchem der sogenannt renommierteren Labels öfters auch wünschen würde.

Phil, 28.7.2011

 

WINDOWS

Ennio Morricone

Quartet Records 

45:36 Min. / 18 Tracks

Limitiert auf 1000 Stk.

 

 

 

 

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