The Miracle

Basierend auf Vollmoellers und Humperdincks Pantomine «Das Mirakel» (1911), brachte Warner Brothers nach mehreren erfolglosen Anläufen 1959 schliesslich doch noch eine luxuriöse Verfilmung des Stoffes in die Kinos. Während sich die Pantomine auf eine spanische Legende aus dem 13. Jahrhundert berief, wurde die Geschichte von den Hollywood-Autoren kurzerhand in die Zeit der napoleonischen Kriege verlegt und handelt von der Nonne Teresa (Caroll Baker), die ihr Kloster wegen der Liebe zu Michael Stuart (Roger Moore) ‒ ein Neffe Lord Wellingtons ‒ verlässt und fortan von einer zum Leben erwachten Statue der Jungfrau Maria in ihrem Amt vertreten wird.

Während kaum ein Bestandteil des Films bei der Kritik auf grosse Resonanz stiess, bescheinigte Variety doch zumindest Elmer Bernsteins Score die «für diesen Komponisten typischen Momente». Für Bernstein war The Miracle eines seiner ambitioniertesten Werke der 50er-Jahre und wichtig genug für eine der ersten Neueinspielungen im Rahmen seiner «Film Music Collection». Es sollte auch sein letzter, religiöser Score im Stil von The Ten Commandments sein.

Da The Miracle einer der wenigen Titel der «Film Music Collection» ist, die ich noch nie gehört habe, kann ich keinen Vergleich zum von Intrada nun erstmals legal veröffentlichten Original ziehen, aber einer der Hauptkritikpunkte des Rerecordings scheint das zu kleine Orchester zu sein. Das kann ich mir gut vorstellen, benötigt der im Golden-Age-Stil angelegte Score doch zweifellos alle zur Verfügung stehenden sinfonischen Kräfte, um seine volle Wirkung zu erzielen.

Bei den religiösen Chören und dem üppigen Orchesterklang kommen einem Namen wie Alfred Newman und Max Steiner in den Sinn, bei militärischen Klängen aber auch Dimitri Schostakowitsch, spezifischer gesagt der Marsch aus dem Allegretto seiner 7. Sinfonie. Und wenn wir schon bei Gefechtsmusik sind, da lehnt sich Bernstein (beispielsweise in French Attack) theatralisch gesehen gerne schon mal sehr weit aus dem Fenster.

Das ist zuweilen auch bei der Romantik der Fall, der vor allem das Thema für Teresa gerne mal unverhohlen frönt. Es kann aber auch ganz anders, durchläuft Phasen verschiedenster Emotionen und dient zudem als Basis für eine iberische Serenade in Un Momento. Überhaupt kommen Liebhaber spanischer Musik auf ihre Kosten, vor allem auf CD 2, die mit einem ganzen Block solcher Klänge eröffnet wird, einschliesslich typischer Stierkampfbegleitung und einer kleinen, weiblichen Vokaleinlage.

Ein weiteres Motiv von zentraler Bedeutung, das Bernstein in sehr schönen Variationen präsentiert, ist das romantische und liebliche Thema für Michael. Es gibt sich zunächst noch ein wenig zurückhaltend, kommt dann aber immer mehr zur Geltung (zum Beispiel im reizenden Musical Watch mit entsprechendem Spieluhren-Charakter oder in Waterloo im martialischen Schostakowitsch-Gewand). Seinen Höhepunkt hat es indes als eleganter Liebesreigen in Waltz.

Für den End Title arrangierte Bernstein Mozarts Ave Verum Corpus, ein Stück, das zwar zur Thematik des Filmes passt, aber irgendwie nicht so ganz zum übrigen Score. Ein Score übrigens, der jetzt nicht unbedingt Fans des «Silver-Age-Bernstein» mit seinen Stärken in den Bereichen Jazz, intimer Dramenmusik und Americana zu empfehlen ist. Wer jedoch The Ten Commandments und The Buccaneer zu seinen Bernstein-Favoriten zählt, der dürfte von The Miraclekeinesfalls enttäuscht sein.

Intrada präsentiert die Musik in Mono und verteilt sie unnötigerweise auf zwei Scheiben. Denn der komplette Score hätte ‒ die drei angehängten Alternates inklusive ‒ bequem auf einer CD Platz gefunden. Der Rest der Extras, u.a. British Grenadiers und Auld Lang Syne, wurde lediglich von Bernstein arrangiert, und ihr Fehlen hätte somit wohl niemandem schlaflose Nächte bereitet.

Andi, 4.12.2013

 

THE MIRACLE

Elmer Bernstein

Intrada Special Collection Volume 243

CD 1 37:32 Min. / 12 Tracks
 CD 2 57:17 Min. / 25 Tracks

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