The Lion King (2019)

Die Live-Action-Welle von Disney ist dieses Jahr über die Kinokassen gerollt. Eröffnet wurde eher verhalten mit DUMBO (2019) von Regisseur Tim Burton (mit Musik von Danny Elfman), doch dann haben ALADDIN (2019) von Guy Ritchie (Musik von Alan Menken) und nun THE LION KING von Jon Favreau jeweils die Milliarden-Dollar-Grenze geknackt. Nun kann man dieser Live-Action-Strategie und den damit verbundenen Remakes punkto Originalität skeptisch oder gar ablehnend gegenüberstehen. Doch bis dato waren die Ergebnisse tricktechnisch durchaus gelungen und optisch wie auch akustisch beeindruckend. Auch in Bezug auf die Filmmusik hat die «Restauration» schöne Ergebnisse zu Tage gefördert – THE JUNGLE BOOK (2016) von John Debney und BEAUTY AND THE BEAST (2017) von Alan Menken sind in der Neuauflage fantastisch ausgefallen. In Bezug auf THE LION KING kann ähnliches festgestellt werden, wobei man jedoch zwischen den Songs und der orchestralen Musik unterscheiden will. Kurz: Die Songs der 1994er-Version kombiniert mit Hans Zimmers Orchestermusik der 2019er-Version ergeben zusammen das perfekte Package.

Als Disney 1994 mit THE LION KING alle Rekorde gebrochen hat, war dies sicherlich auch substanziell der Musik von Hans Zimmer und den Songs von Elton John und Tim Rice (Text) zuzuschreiben. Verdientermassen durften diese drei Herren hierfür denn auch die Oscar-Männchen 1995 entgegennehmen – für «Beste Musik» und «Bester Song – Can You Feel the Love Tonight». Seither sind die Abenteuer von Simba und Co. wohl so ziemlich jedem bekannt und die atemberaubende Eröffnungssequenz mit dem Song «Circle of Live/Nants’ Ingonyama» darf heute wohl als veritables Kulturgut betrachtet werden. «Hakuna Matata» hat sich ins geläufige Popkultur-Vokabular eingenistet und ist auch als Song zusammen mit «Can You Feel the Love Tonight» weltberühmt geworden. Diese anhaltende Popularität wurde von Disney natürlich auch geschickt mit Sequels und Musical-Adaption bewirtschaftet, doch belegt diese seit Jahren anhaltende Beliebtheit auch die künstlerischen Qualitäten, die in dieser Produktion stecken. Für die Fans der Filmmusik gab es 2014 ein spätes Highlight: Disney lancierte seine «The Legacy Collection»-Soundtrack-Serie mit einer grosszügig verlängerten und klangtechnisch aufpolierten Veröffentlichung der Filmmusik. Dieses 2-CD-Set anlässlich des 20-Jahre-Jubiläums von THE LION KING liess nichts zu wünschen übrig – Hans Zimmers famose Filmmusik in kompletter Form und klanglich super aufgefrischt sowie natürlich die Songs und alternative Demo-Versionen. Dies ist für mich auch heute noch die Referenz-Veröffentlichung der LION KING-Musik.

Was bietet nun das neue 2019er-Album? Sowie sich der Film maximal am Original von 1994 orientiert, so ist auch der Soundtrack weitestgehend ein Déjà-vu. Gänzlich neu sind nur die zwei Songs «Spirit» von Beyoncé und «Never Too Late» von Elton John. Der Song «He Lives in You» war zwar in der 1994er-Version nicht zu hören, wurde jedoch 1996 auf das «Inspired by»-Album «Rhythm of the Pride Lands» gepackt und hatte dann eine prominente Rolle in der Musical-Adaption, die seit 1997 weltweit die Theatersäle füllt. Die Beyoncé-Ballade «Spirit» ist grossartig. Auch wenn sie mit ihrem R&B-Stil nicht nahtlos zum Rest der Songs und Musik passen will, geht einem dieses Lied zusammen mit der Melodie von «He Lives in You» nach dem Hören des Albums nicht mehr aus den Ohren. «Never Too Late» tanzt punkto Klang und Pop-Beats gänzlich aus der Reihe, womit das Stück konsequenterweise besser ganz an den Schluss des Albums programmiert worden wäre. Irgendwie wirkt dieser Song etwas «trashig» – nicht ohne Ohrwurmcharakter aber auch nicht wirklich passend für das LION KING-Universum. «He Lives in You» knüpft hier mit dem schönen Gesang von Lebo M jedoch dann wieder nahtlos an den LION KING-Sound an. Zudem ist dieser schöne Song in der hier präsentierten Form lyrischer als die wohl vielen allenfalls bekannte Musical-Version.

Die Songs «Circle of Life/Nants’ Ingonyama», «I Just Can’t Wait to be King», «Hakuna Matata» und «Can You Feel the Love Tonight» können mit den Originalsongs gut mithalten. Enttäuschend ist hingegen die 2019er-Version von «Be Prepared» ausgefallen. Dieser Song hatte in der 1994er-Version mit Jeremy Irons als Scar und der aufbrausenden Orchestration einfach mehr Bombast und Wucht, was zusammen mit den Bildern – dem sich dem Vollmond entgegen apokalyptisch auftürmenden Felshügel, bespickt mit Scar und Hyänen – perfekt gewirkt hat.

Definitiv auftrumpfen kann die 2019er-Version von THE LION KING dann wieder in Bezug auf den Score von Hans Zimmer. Neue Themen sind hier zwar keine zu hören – Zimmer schreibt im Booklet selbst «I [also] realized very quickly that the old themes actually held up» –, doch die altbekannten Melodien erhalten hier einen strahlenden Neuanstrich bzw. facettenreichen, schönen, frischen Klang. Wer mit der 1994er-Version einzelner Stücke bzw. dem Score vom 2014er-Legacy-Album vertraut ist, der kann hier oftmals vom ersten Hören weg wieder mitsummen – so akribisch wurde der Score stellenweise rekreiert. Die Highlights «Stampede», «Scar Takes the Throne», «Reflections of Mufasa» und «Battle of Pride Rock» gehören in jede «Best of Zimmer»-Playlist und dürften auch in der jüngsten Inkarnation wieder Tränen kullern lassen. Fazit: Kommerz hin oder her, THE LION KING weiss einem auch in der jüngsten Neuauflage in seinen Bann zu ziehen – mit spektakulärer Animation, viel Dynamik, Witz und guter Musik. Persönlich stelle ich mir mit den Song-Versionen der «Legacy Collection» und den hier neu präsentierten Orchesterstücken ein eigenes Programm zusammen, doch wer diesem Nostalgie-Bias nicht ausgesetzt ist, der dürfte am vorliegenden 2019er-Album wohl kaum etwas auszusetzen haben. Aus Zimmers Booklet-Text: «The original THE LION KING changed lives; maybe this one will too.»

Basil, 10.10.2019

 

THE LION KING

Hans Zimmer

Walt Disney Records

77:33 Min.
19 Tracks