The Big Sleep / Gray Lady Down

THE BIG SLEEP

Jerry Fielding

Intrada Special Collection Volume 112

35:20 Min. / 15 Tracks

Limitiert auf 1500 Stk.

 

GRAY LADY DOWN

Jerry Fielding

Intrada Special Collection Volume 114

46:30 Min. / 21 Tracks

Limitiert auf 2000 Stk.

Als Jerry Fielding 1977 einen Zusammenbruch erleidet, ist dies die Folge seines Ehrgeizes, über Jahre hinweg ein   Arbeitspensum zu bewältigen, das ihm kaum eine freie Minute erlaubt. Diese Zäsur in seiner Karriere kommentiert er mit Ernüchterung und Bitterkeit, und wie immer nimmt er dabei kein Blatt vor den Mund: «Ich reisse mir während neun Tagen und Nächten den Arsch auf, um termingerecht ambitionierte Musik zu produzieren, und morgens haut mich ein Herzinfarkt um. Das ist es nicht wert, denn nicht nur schätzen sie die Musik nicht, sie wollen sie nicht einmal.»

Nach diesem Warnschuss reduziert Fielding seine Produktivität auf ein vernünftiges Mass, und auch wenn man annehmen könnte, dass Kreativität und Qualitätsbewusstsein ebenfalls nachlassen, ist dies keineswegs der Fall. Zwar finden sich im Spätwerk kaum mehr Premium-Fieldings, doch entsteht nicht der Eindruck, dass der Komponist nur noch Dienst nach Vorschrift leisten würde. Davon kann sich überzeugen, wer den neuen Intradas aufmerksam lauscht. Beide Scores stammen von 1978, entstanden also kurz nach dem einschneidenden Erlebnis.

Tote schlafen besser
Mit The Big Sleep schuf Howard Hawks 1946 einen Meilenstein des Film Noir, und jede Neuverfilmung des Stoffes kann – gemessen an diesem Klassiker – eigentlich nur verlieren. Michael Winner wagte es trotzdem und blieb, obwohl er die Story von Los Angeles ins zeitgenössische London verlegte, näher an der literarischen Vorlage als die Bogart-Version. Aus Erfahrung wissen wir aber, dass deswegen nicht zwangsläufig bessere Filme entstehen, und so bietet dieses Update ausser einigen Schauwerten dank grossem Staraufgebot denn auch nicht viel Berauschendes.

Auch wenn die rund 20-minütige Suite auf dem 1990 von Bay Cities veröffentlichten Sampler «Jerry Fielding – Film Music» einen schönen Querschnitt aus The Big Sleep bietet, ist für Kenner des Komponisten mehr in der Regel wirklich mehr, denn bei Fielding wird selten etwas unnötig in die Länge gezogen. Und da der Score in seiner praktisch kompletten Form (zwei kurze Cues waren irreparabel) nur knapp die 35-Minuten-Marke überschreitet, wird die Hörbereitschaft sowieso nicht überstrapaziert.

Beim Hauptthema zu The Big Sleep handelt es sich um eine Zweitverwertung, denn Fielding schrieb es bereits 1970 für Hunters are for killing, einem kaum bekannten TV-Film mit Burt Reynolds. Da es aber wie geschaffen für den Marlowe-Film wirkt und von den meisten vermutlich eh damit assoziiert wird, sei ihm dieser Eigenklau verziehen. Innerhalb eines Scores, der sich auf keine Sympathieträger stützen kann und diesbezüglich auch keine Kompromisse eingeht, ist es praktisch einzig dieses Thema mit seinen Swingbläsern, elektrischen Gitarren und E-Bass, das sich gegen eine atonale Klangwelt behaupten muss. Für den Komponisten typische, sich reibende Streicher- und Synthesizer-Flächen, ominöse Ostinati und suspensvolle Klaviereinwürfe, dschungelartige Percussion und brutale, für Gänsehaut sorgende Ausbrüche erzeugen eine gefühlskalte, zu den Filmfiguren passende Musik. Bestimmt nichts für jene, die Romantik in ihrer Filmmusik suchen; wer jedoch diese Seite von Fielding mag, dürfte daran seine Freude haben.

Als Quelle für diese CD dienten die in der Brigham Young University gelagerten Mono-Session-Master, und obwohl Douglass Fake im Booklet deren exzellenten Zustand lobt, gibt es doch ein, zwei Stellen, wo es ein wenig eiert. Da diese Störungen jedoch wenig ins Gewicht fallen, braucht ihretwegen niemand die rote Karte zu zücken.

U-Boot in Not
«Gray Lady Down» ist ein codierter Begriff der US-Navy für ein auf Grund gesunkenes U-Boot und folglich Programm dieses leidlich spannenden Streifens. In der von Charlton Heston, David Carradine und Stacy Keach angeführten Besetzungsliste findet man ziemlich weit unten auch Christopher Reeve, der bereits mit seinem nächsten Film vom unbekannten Nebendarsteller zum Überflieger Hollywoods mutieren wird.

Wer Fieldings Musik zu Gray Lady Down nur vom schon länger kursierenden, lausigen Bootleg her kennt, sollte sie nicht vorschnell abstrafen, denn dessen Unterschied zum fein klingenden Intrada-Silberling ist wie Tag und Nacht. Der Klang allein macht’s aber natürlich nicht aus, und es muss schon gesagt werden, dass das zum Teil abstrakte und komplexe Klanggebilde, das Fielding einmal mehr ausbreitet, wohl längst nicht nach jedermanns Geschmack ist. Zudem ist die Kenntnis des Films zum besseren Verständnis der sehr bildbezogenen Musik eigentlich Voraussetzung.

Teilt man den Score grob in «über Wasser» und «unter Wasser» ein, dann herrscht oben eher Tonales wie das Hauptthema mit schicksalsschwangeren Militärfanfaren, die von Snaredrums und einer Basslinie, die das stampfende Geräusch von Schiffsmaschinen nachahmen mag, begleitet werden. Weitere Beispiele dieses zugänglicheren Teils sind ein kurzes, melancholisches Shanty und elegische Streicher, die das Finale einleiten. Wenn’s nach unten geht, greift Fielding nicht auf die dafür gerne genommenen Harfen zurück, gestaltet jedoch mit tiefem Blech und Percussion in entsprechenden Klanglagen, flirrenden Holzbläsern sowie gespenstischer und klammer Elektronik diese Welt voller dumpfer und beengender Geräusche nicht minder effektvoll.

Summa summarum ist dies ein Score, den sich wohl vorwiegend Fielding-Komplettisten in die Sammlung stellen. Das für alle anderen Positive ist, dass mit dieser Veröffentlichung die Tore zu Universals Musikarchiv nun endgültig geöffnet sein dürften und bald schon weitere dort noch schlummernde Schätze folgen werden.

Obwohl es etwas länger dauerte als bei den letzten Intrada-Fieldings, hat The Big Sleep inzwischen das Zeitliche gesegnet. Bei Gray Lady Down hingegen gibt es noch keine Wasserstandsmeldungen. Das liegt bestimmt zum einen an der höheren Auflage, zum anderen aber wahrscheinlich auch an der Tatsache, dass dieser Score als Download bei iTunes und amazon.com angeboten wird.

Andi, 4.12.2009

Big Sleep:

 

 

 

 

 

Gray Lady Down:

 

 

 

 

 

 

 

 

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