Star Trek IV: The Voyage Home

Unter Star-Trek-Anhängern herrscht allgemein die Ansicht, dass ‒ zumindest was die Originalbesetzung betrifft ‒ die Kinofilme mit gerader Nummerierung besser sind als die ungeraden. Dabei gehören besonders Star Trek II: The Wrath Of Khan und Star Trek IV: The Voyage Home zu den absoluten Fanfavoriten.

Auf die jeweiligen Filmmusiken lässt sich diese Formel jedoch nicht übertragen, haben doch die ersten drei Scores von Jerry Goldsmith und James Horner Massstäbe gesetzt, die kaum mehr erreicht wurden. Und wenn wir auf Star Trek IV zu sprechen kommen, dann ist Leonard Rosenmans Musik, obwohl der Komponist Science-Fiction-erprobt war, als ziemlicher Exot zu bezeichnen und scheidet deshalb wie kein anderer Beitrag zur Reihe die Geister. Viele Fans hätten sich gewünscht, dass der letzte Teil der inoffiziellen, von einem filmübergreifenden Erzählbogen zusammengehaltenen II, III und IV der Einheitlichkeit wegen ebenfalls von Horner vertont worden wäre.

Dabei hätte gar nicht viel gefehlt, dass Rosenman bereits The Search For Spock übernommen hätte, denn für Leonard Nimoy, der hier erstmals auch Regie führte, war er der Wunschkomponist, aber als Regie-Neuling vermochte der Schauspieler ihn noch nicht durchzuboxen. Da Nimoys Wort bei The Voyage Home bereits mehr Gewicht hatte, bekam Rosenman seine Chance dann doch noch, und er hat meiner Ansicht nach einen zwar ‒ wie es seinem Naturell entspricht ‒ eigenwilligen, aber doch Star-Trek-würdigen Score geliefert.

Mit The Woyage Home wollte Nimoy auf eine Qualität zurückgreifen, die die Originalserie auszeichnete, aber seiner Meinung nach in den bisherigen Kinofilmen zu kurz kam: der Humor. Als sich eine Sonde der Erde nähert und geheimnisvolle Signale aussendet, die nicht beantwortet werden, beginnt sie, den Planeten zu zerstören. Spock findet heraus, dass die Sonde mit Buckelwalen korrespondieren will, und da diese Spezies ausgestorben ist, gibt es nur eine Möglichkeit: in die Vergangenheit reisen, um ein Pärchen dieser Tiere zurückzubringen. Die Crew landet in San Franzisco anno 1986 und hat einen ziemlichen Kulturschock zu überwinden, was zu amüsanten Begebenheiten führt.

Da die Musik sehr gezielt eingesetzt wird, ist ST IV mit einer Laufzeit von etwas über einer halben Stunde der kürzeste Star-Trek-Score überhaupt. Trotzdem war das Originalalbum, sowohl auf LP als auch auf CD erschienen, nicht vollständig. Intrada präsentiert die Musik nun komplett und chronologisch, und die paar Minuten zusätzlicher Musik sind durchaus willkommen.

Nach der Courage-Fanfare erklingt im Main Title erstmals das Hauptthema, zugleich Kirks Thema, jubilierend, mit glockenartigen Trompeten und einem feierlichen Mittelteil. Mit Starfleet Command/On Vulcan/Spock/Ten Seconds Of Tension folgt bereits ein Track, in dem mehrere bisher unveröffentlichte, kurze Sequenzen zusammengefasst wurden, und der ein paar hübsche dramatische, atmosphärische Momente und insbesondere das ansonsten kaum angespielte Thema für Spock bereithält. In The Probe wird mit dem bedrohlichen, aufsteigenden Vierton-Motiv der Sonde ein zentrales Thema vorgestellt, das unmissverständlich die Handschrift Rosenmans trägt.

Die mehrheitlich dramatischen, im Weltraum spielenden Passagen gipfeln im experimentellen Time Travel, dann finden wir uns mit «The Yellowjackets» und Market Street unvermittelt in den USA der 1980er-Jahre wieder. Dieses inzwischen etwas datiert wirkende Stück hätte man besser, wie man es mit dem zweiten Titel der Fusion-Band ‒ Ballad Of The Whale ‒ gemacht hat, in der Bonus-Sektion untergebracht. Umso erfreulicher dann In San Francisco mit unverwendeten Cues, wo Rosenman erstmals seinen gehobenen Humor zu Gehör bringt; unter Begleitung von militärischen Snare Drums kommen die Themen für Kirk und Spock und ‒ wohl für Scotty ‒ schottische Klänge zum Einsatz.

Die humorig-mitreissenden Höhepunkte bilden Chekov’s Run, eine Parodie auf Tschaikowskys Manfred-Sinfonie, und das chaplineske Hospital Chase. In Gillian Seeks Kirk wird Kirks Thema reizvoll variiert, im achtminütigen Crash/Whale Fugue bietet Rosenman alles auf, was es für ein grosses Finale braucht: seine unvermeidlichen Klangpyramiden, verschiedenste Ansätze von atonal über gefahrvolle, mystische und feierliche Stimmungen, die wichtigsten Themen, allen voran die barocke Wal-Fuge.

Die Extras sind zum grössten Teil entbehrlich, mit Ausnahme des erwähnten Ballad Of The Whale, eine Jazzinterpretation der Wal-Fuge, und Rosenmans erstem Entwurf des Main Title, wo er nicht nur die Fanfare, sondern gleich auch das Thema von Alexander Courage verwendet, jedoch ohne Sopran und etwas gar gemächlich.

Leonard Rosenman dürfte vielen Filmmusikhörern zu atonal, zu experimentell, vielleicht auch zu intellektuell sein. The Voyage Homeaber zeigt ihn zu einem grossen Teil von einer Seite, die wahrscheinlich die wenigsten von ihm erwartet hätten: zutraulich, mit Schalk im Nacken, aber trotzdem auf hohem handwerklichen Niveau. Daher könnte dieser Score auch eine Empfehlung für all jene sein, die ansonsten einen weiten Bogen um den Komponisten machen.

Andi, 6.3.2012

 

STAR TREK IV – THE VOYAGE HOME

Leonard Rosenman

Intrada MAF 7114

72:44 Min. / 24 Tracks

 

 

 

 

 

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