Solo – A Star Wars Story

Na, auch schon STAR WARS müde? Es heisst so manch einer sei insbesondere nach THE LAST JEDI ziemlich gereizt wenn man auf STAR WARS zu sprechen käme. Disney freilich interessiert das nicht die Bohne und schmeisst seit 2015 jedes Jahr ein neues Abenteuer ins Kinoprogramm. So oder so verwunderte es wenig, dass sich mit mir gerade mal 15 Nasen im Kino eingefunden haben – und das sage und schreibe in der 2. Woche. Erschreckend. Der Film läuft harzig, wohl harziger als es sich manch einer der Verantwortlichen vorgestellt hat, aber das passt ingesamt ja auch zur Produktionsgeschichte von SOLO. Philip Lord und Christopher Miller (nein, ich kannte sie auch nicht) wurden wegen kreativer Differenzen gefeuert (Frage: Wie kann man einen Star Wars Film einem Duo anvertrauen, das THE LEGO MOVIE machte?) und durch Ron Howard ersetzt. Das blieb nicht die einzige chaotische Situation. Auch der Cutter (Chris Dickens) wurde neu besetzt, Pietro Scalia, seit einiger Zeit Hausundhof-Cutter von Ridley Scott, nahm den Platz ein. Unsereins allerdings wurde überrascht, als John Powell mit der Musik beauftragt wurde. Später wurde verlautbart, John Williams würde ein Thema für den Film schreiben. So kam es denn auch. „The Adventures of Han“ komponierte und dirigierte John Williams und natürlich findet der Hörer so manch andere Williams-Momente in SOLO.

Die Gretchenfrage aber bleibt: Ist John Powell wirklich ein STAR WARS „Mann“? Mit Verlaub und nach Film gucken und CD hören darf man behaupten: Schon, aber. Es gibt Filmmomente und Musikpassagen, die durchaus gelungen sind, in denen die Musik STAR WARS versprüht. Doch das ist eigentlich dann der Fall, wenn John Williams zu hören ist, während Powells SOLO den ein und anderen Durchhänger hat. Kurz zurück zum Film. SOLO ist überraschend unterhaltsam, kommt (nach dem übertriebenen Actionintro) spätestens in Gang wenn Chewie seinen Auftritt hat. Ab hier funktioniert der Film um einiges besser als in seinen ersten zähen Minuten. Ganz böse Zungen behaupten gar, die beiden Filme, die ohne Jedis auskommen, seien wesentlich gelungener als die Trilogie-Nachkömmlinge THE FORCE AWAKENS und THE LAST JEDI. Das lassen wir mal so stehen und können sicherlich behaupten, dass Han ohne Ausschweife einer der interessanteren Charaktere ist, dem man ein Solo-Projekt anvertrauen konnte – in der Tat funktioniert das recht gut, auch ohne Harrison Ford, durchaus die Krux an der Sache. Sicher, der Film hat seine mässigen Momente, die ein und andere misslungene Idee. So ist die Szene, die erklärt wie Han zu seinem Nachnamen gekommen ist, alles andere als ein glorreicher Geistesblitz. Welcher Kasdan wohl dafür verantwortlich ist?

Zurück zur Musik. Die Verspieltheit eines John Williams Scores und die Intensität eines ROGUE ONE von Michael Giacchino erreicht Powells SOLO nicht, eher STAR WARS light ist es, was Powells uns bietet, hie und da mit Sonnenseiten, allzu oft mit Material durchzogen, das den Hörer nicht umhaut. Selten ist es der Fall, dass ich mich bei einem Film besser unterhalten habe als mit der Musik, SOLO ist eine dieser raren Begebenheiten. Schade eigentlich, denn der Film hätte eindeutig den Platz für eine richtig deftige, prächtige Filmmusik geboten. Wenn Powell aber in semi-ethnisches und monotones Spannungsgedudel verfällt („Is this Seat Taken“) darf die Frage gestattet sein, Himmel, was hat er sich hierbei nur gedacht? Paul Greengrass können wir dieses Mal die Schuld nicht geben… und Ron Howard? Tolle Scores haben viele seiner Filme begleitet: COCOON, WILLOW, APOLLO 13 (Horner), FAR AND AWAY (Williams). Und spätestens jetzt fährt es mir wie ein Blitz in die alten Glieder: Ron Howard hat viele Male mit Hans Zimmer gearbeitet, die Da Vinci Code Filme, BACKDRAFT, RUSH usw. Doch STAR WARS und Zimmer? Ich mag den Gedanken nicht weiterspinnen, zu präsent ist MAN OF STEEL – der Vergleich sei gestattet, SUPERMAN ist schliesslich Williams-Territorium.

Auffallend in SOLO sind der fremdartig klingende Chor („Maurauder’s Arrive“, „Savareen Stand-Off“), ein bisschen an AVATAR erinnernd und ein militärisch anmutendes, kräftiges Motiv für Schlagwerk und lebhafte Blechbläser, das nach 3 Minuten in „Mine Mission“ zu hören ist, der mit Abstand beste Moment des Powell Materials, in welchem er mit viel Verve mit seinen Themen spielt (das L3 Motiv oder Chewies Theme etc.). Auch „Break Out“ und „Reminiscence Therapy“ können mit Wow-Passagen auftrumpfen, insbesondere Letzterer ist ein toller Track für jene Szene, die natürlich nicht fehlen durfte, in der die Bande im Millenium Falcon von TIE-Fightern angegriffen wird, an den ersten Raumkampf mit dem Falcon in A NEW HOPE und „Asteroid Fields“ aus THE EMPIRE STRIKES Back erinnernd, fantastisch gemacht!

Nur bedingt im Ohr haften bleibend ist das Liebesthema für Han und Qi’ra („Lando’s Closet“ oder in einer schönen Variation in „The Good Guy“), während deutlich spannungsgeladenere Tracks wie „Train Heist“ ihre tollen Momente haben. Was mich aber, das sei Powell zu Gute gehalten, noch nicht richtig packen konnte, ist Williams› Thema für Han. Luke hatte ein Thema, Leia, Yoda und Darth Vader natürlich, Kylo Ren. Nur Han wurde bisher stiefmütterlich behandelt – nicht, dass musikalisch eine Lücke bestanden hätte, der Entscheid Han entweder ins Liebesthema oder ins heroische Hauptthema einzubinden, war definitiv ein richtiger. Für SOLO aber schien man sich früh entschieden zu haben, ihn mit einem eigenen Thema auszustatten. Das Konzertarrangement zu Beginn der CD ist eine feine Sache, es ist definitiv John Williams, aber es fehlt der zündende Funke mit dem man Han Solo in Verbindung bringen würde. Wenn Powell es nun in „Meet Han“ mit dauerhafter Perkussionsunterlage anreichert und dem Score damit zeitnahe Klangwelt beimischt, klingt es befremdlich. „Corellia Chase“ hat seine zünftigen Passagen, aber auch hier gerät Powell wieder ins Fahrwasser dieser verflixten Schlagzeugmanie, die ihn kurz darauf auch in „Flying with Chewie“ wieder einholt. Und da fällt auch auf wie sich der Score zwischenzeitilich auf einem ständigen Lautstärkelevel bewegt ohne Luft zu holen, zu atmen. Allerdings ist das ein Manko so vieler aktueller orchestraler Actionmusiken, angefangen bei den Marvel Superhelden, sei es aus Brian Tylers oder auch Alan Silvestris Feder.
Schade, dass wie schon bei anderen aktuellen STAR WARS Musiken die Schlusstitel Musik fehlt.

Ich habe mich gefragt, ob ich mit meiner Meinung zu Powells SOLO alleine da stehe und was die Filmmusikwelt im Web zu SOLO zu schreiben hat – und war blass erstaunt: Fast nur uneingeschränkte Lobgesänge, Vergleiche mit Elliot Goldenthal (huch?) und andere, nicht immer ganz nachzuvollziehende Bögen, die geschlagen wurden oder Sachen wie „schade musste Powell sich so sehr an Williams orientieren“. Es war keine einzige negative Review zur CD zu finden, nur wenige Sätze, die Powell auch mal kritisierten. Kaum nachvollziehbar woher diese Begeisterung kommt (ja, Powell hat eine grosse Fanbase) und es bleibt die Frage, wie sich die Musik in 10 Jahren im Vergleich mit anderen STAR WARS Musiken wirklich halten können wird. Ich behaupte, manch einer dürfte seine Meinung vielleicht doch revidieren.

Zu guter Letzt, es macht schon Spass sich auf die Suche nach STAR WARS Momenten zu begeben, die Powell immer wieder einstreut, das macht er gekonnt und übernimmt Williams› Themen in seine Klangsprache. Witzig und gelungen sind auch die Bezüge, die der Film auf spätere Abenteuer macht, seien es L3s famose Navigationsfähigkeiten, der verbrauchte Look des Falcons und wenn Chewie seine unbändige Kraft an einem Wachmann auslässt. Erwähnenswert sind auch und insbesondere Donald Clover als Lando, Joonas Suotamo als Chewbacca und Alden Ehrenreich, der seine schwierige Sache, ganz grossen Fussstapfen zu folgen, ganz gut meistert.

Phil, 11.6.2018

SOLO – A STAR WAR'S STORY

John Powell, John Williams

Walt Disney Records

xx Min
20 Tracks