Mary, Queen of Scots (2019)

Mit MARY QUEEN OF SCOTS (2018) hat Regisseurin Josie Rourke eine visuell opulente Neuverfilmung der erbitterten Auseinandersetzung zwischen Maria Stuart und Königin Elisabeth I. um den englischen Thron vorgelegt. Sowie Rourke diese Geschichte punkto filmische Umsetzung und Erzählstil für das Kino der 21. Jahrhunderts aufpeppen wollte, ohne dabei jedoch allzu sehr am Kern der Erzählung zu rütteln, so soll ihr auch eine Filmmusik vorgeschwebt haben, die sich mit Musikanleihen der damaligen Zeit in modernem Klanggewand und mit Opulenz den «Ohren von heute» empfiehlt. Für diese Aufgabe konnte sie den Komponisten Max Richter gewinnen, wobei Rourke ihn aufgrund dessen Neuinterpretation von Vivaldis «Vier Jahreszeiten» (2014 veröffentlicht unter dem Titel «Recomposed By Max Richter: Vivaldi, The Four Seasons») angefragt haben soll.

Die Ankündigung von Max Richter als Komponist war eigentlich recht überraschend, wenn man sich seine bisherigen Arbeiten fürs Kino ansieht und -hört. Ein Historienepos im Stil von MARY QUEEN OF SCOTS war bis anhin nicht in dessen Discographie zu finden und seine ansonsten eher atmosphärischen, oftmals emotional kühlen Kompositionen für Kinofilme liessen die Neugier auf einen etwaigen opulenten Drama-Score steigen. Einen solchen lieferte Richter für MARY QUEEN OF SCOTS denn auch stellenweise ab und das Ergebnis ist während den thematischen Passagen wirklich schön anzuhören – selbst für Filmmusik-Aficionados, die mit früheren Arbeiten von Max Richter wenig anfangen konnten. Dies daher, da Max Richter für das vorliegende Album neben atmosphärischen Stücken auch ein sehr schönes und eingängiges Hauptthema komponiert hat, das er mehrmals kraftvoll und mit viel Drama aufspielen lässt. In einem Interview sagte Max Richter, dass ihn dieser Film gereizt habe, weil er ein grosser Bewunderer der Renaissance-Musik ist und er solche in Bezug auf Kompositionsstil und Harmonien in diese Arbeit habe einfliessen lassen dürfen. Zudem hat er Instrumenten aus jener Epoche – bspw. die Cor Anglais – Soli zugeschrieben. Im Ergebnis hat Richter für die Filmmusik einen ähnlichen Ansatz verfolgt, wie es scheint, wie die Regisseurin für ihre Neuverfilmung – «alte» Musikstilismen in zeitgenössischem Gewand. Und dass er den Score mit sagenhaften 110 Musikerinnen und Musikern sowie Chor und Solisten hat aufnehmen dürfen, verleiht dieser Arbeit eine für Richter aussergewöhnliche Wucht.

Das Album eröffnet mit dem schönen Stück «The Shores of Scotland». Hier präsentiert Max Richter das Hauptthema, wobei er dieses an sich lyrische wie kraftvolle Thema mit markanter Perkussion begleitet. Der Perkussion kommt in der gesamten Filmmusik ein prominenter Platz zu. Damit wollte er den stets kämpferischen, konfliktären Unterton der Geschichte reflektieren, wie er ausführte. Dieser militärische Aspekt wird insbesondere auch in den Stücken «A Claim to the Throne» und «The Wedding» – überraschenderweise, wenn auch im filmischen Kontext verständlich – hervorgestrichen. Wobei es sich nicht um schnellen, krachenden Schlagwerkeinsatz handelt, sondern um drohende, pochende Trommelschläge. Es sind jedoch nicht diese Stücke, während denen Richters bekanntere, atmosphärische «Filmmusik-Stimme» vorherrscht, die das Album kurzweilig machen, sondern die melodiösen Highlights. Zu letzteren zählen «The Hilltop», «A New Generation» und das 8-minütige «Finale», während denen Orchester und Chor mitreissende Höhepunkte präsentieren. Fazit: Mit MARY QUEEN OF SCOTS präsentiert sich uns eine neue Seite von Max Richters Filmmusikschaffen. Eine, die während ihren besten Momenten mit berauschenden Klangfarben und berührenden Themenstatements verzaubert. Das Album hat im mittleren Teil jedoch ein paar unterkühlte «Hänger», die im Kontext des Films wichtig und sinnvoll sind, jedoch den Rest des Albums mit dem thematisch überzeugenden und klangschönen Charakter schmälert. Das herrliche Chorstück «If Ye Love Me» stammt nicht von Max Richter, sondern von Thomas Tallis aus dem Jahr 1565. Mit «The Shores of Scotland», «If Ye Love Me», «The Hilltop», «A New Generation» und «Finale» hat man eine 18-minütige Suite beisammen, die ganz auf das Hauptthema und die herrlichen Chormomente fokussiert – zwar damit eher monothematisch, aber für Liebhaber der ausladenden Dramamusik wirklich herrlich anzuhören.

Basil 23.5.2019

MARY QUEEN OF SCOTS

Max Richter

Deutsche Grammophon (Universal)

58:35 Min.
18 Tracks