Living in the Age of Airplanes

Was lang währte, wurde anfangs April für viele Fans von James Horner sozusagen endlich gut – Intrada Records veröffentlichte seine Filmmusik zu LIVING IN THE AGE OF AIRPLANES (2015) als physisches Album. Zuvor wurde es 2016 lediglich in digitaler Form verfügbar gemacht. Der Intrada-Titel kommt zwar ohne Extended-Tracks oder Alternates und ohne nennenswerten Booklet-Content daher – also quasi 1:1 das digitale Album in physischer Auflage –, aber immerhin: die Sammler können dieses späte Werk von James Horner nun auch als CD ihrer Sammlung beifügen, was seit dem Digital Release wiederholt in verschiedenen Foren als Anliegen genannt wurde. Die Fliegerei hat Horner schon zu vielen sehr gelungenen, knackigen bis verträumten Kompositionen inspiriert. Entsprechend durfte man auf LIVING IN THE AGE OF AIRPLANES gespannt sein, doch das Ergebnis «schwadroniert» etwas zu sehr im IMAX-Ethnopop-Klangschmus-Territorium, als dass es einem wirklich mitreisst.

Mit LIVING IN THE AGE OF AIRPLANES wollte Regisseur Brian Terwilliger einen Film schaffen, welcher die Faszination, Kraft und Leidenschaft hinter der Aviatik und die Entwicklung des Luftverkehrs aufzeigt. Dieses Unterfangen resultierte nach jahrelanger Arbeit in einem auf Hochglanz polierten IMAX-Dokumentarfilm, welcher mit visueller Pracht auftrumpft, jedoch inhaltlich oberflächlich bleibt. Mit dieser von Enthusiasmus geprägten Mission soll Terwilliger von der ersten Stunde an daran interessiert gewesen sein, James Horner als Komponist gewinnen zu können, war Horner doch selbst nicht nur Sportflugzeug-Pilot sondern ebenso ein grosser Aviatik- und Flugzeugfan. Bereits im Jahr 2009 soll es zu einem ersten Treffen gekommen sein: Terwilliger durfte Horner in seinem Büro begrüssen und ihm erste Szenen des Films zeigen. Horner soll derart begeistert gewesen sein, dass er mehr Filmmaterial sehen wollte und das kurze Treffen in eine fünfstündige Diskussion ausgeufert sei, wie Terwilliger in einem Interview erzählte. Bis der Film fertig gedreht und geschnitten werden konnte, zogen jedoch noch ein paar Jahre ins Land. Im Sommer 2014 hat Brian Terwilliger Horner die fertig geschnittene Version von LIVING IN THE AGE OF AIRPLANES zeigen können, wie der Regisseur weiter ausführte. Für diese erste Schnittversion habe er unter anderem frühere Arbeiten von Horner als Temp-Track verwendet. Zu diesen Temp-Tracks muss wohl auch AVATAR (2009) gehört haben, denn zu diesem sind bzgl. Gesang-, Perkussion- und Synthesizer-Klänge durchaus Ähnlichkeiten auszumachen. Thematisch ist die Musik jedoch frisch und eigenständig. Das Hauptthema ist ein Ohrwurm, welcher im Verlauf des Albums viele Anspielungen erhält. Stücke wie «History of Transportation», «Nearly Perfected», «Migration Vacation», «Antarctica» und «Exponential Progress» dürften als rund 16-minütige Suite auf so mancher Horner-Playliste ihren Platz finden. Das Stück «Flowers» tanzt mit seinen funky Rhythmen etwas aus der Reihe, bezeugt jedoch, dass Horner hier scheinbar viel Spass bei der Arbeit hatte und von eher selten gewordenen kompositorischen Ansätzen in seinem Schaffen nicht zurückschreckte.

LIVING IN THE AGE OF AIRPLANES ist eine ungetrübte, klangschöne, leichtverdauliche Musik geworden, welche von Enthusiasmus nur so sprüht. Dramatische Orchesterkompositionen oder rasante, knackige Action- und Spannungsmusik, wie sie Horner mit vielen anderen Orchesterwerken zum Thema «Flight» oft präsentierte, sucht man hier jedoch vergeblich. Dadurch dürfte die Musik für Liebhaber von Horners dramatischeren Arbeiten etwas flach ausgefallen sein. Die Themen sind mit Ethno-Rhythmen unterlegt und erinnern nicht selten an Stilismen von Thomas Newman. Das Ergebnis ist ohne Ecken und Kanten eine gefällige Berieselung und im Falle der genannten Highlights ein berührendes und erheiterndes Hörvergnügen. Horners Musik für die Flugakrobatik-Show FLIGHT – WRITE YOUR SOUL / THE FOURTH HORSEMAN (2010) aber auch Filmmusiken mit «Flight»-Themenbezug wie THE ROCKETEER (1991), KRULL (1983), oder Auszüge aus Arbeiten wie seine beiden STAR TREK-Scores (1982/1984), THE SPIDERWICK CHRONICLES (2008) und AVATAR (2009) sind mit ihrer knackigeren Orchestrierung und der teils roheren Kräfte im Blech spannender und eindrücklicher gelungen. Für Fans ist LIVING IN THE AGE OF AIRPLANES jedoch zweifelsohne ein Muss und ein überwiegend klangschönes Vergnügen.

Basil, 21.5.2018

LIVING IN THE AGE OF AIRPLANES

James Horner

Intrada Special Collection

50 Min.
18 Tracks