kurz und knapp 25

POLDARK – THE ULITMATE COLLECTION (3 CDs)
Anne Dudley, Sony Music

Vor vier Jahren schrieb ich an dieser Stelle: «POLDARK ist eine schöne Filmmusik geworden, zu der man herrlich entspannen kann. Orchesterspektakel oder markante Eigenheiten sucht man jedoch vergebens. Für Liebhaber von Musiken wie Dario Marianellis JANE EYRE (2011) oder PRIDE AND PREJUDICE (2005).»
Inzwischen hat per Ende August die 5. Staffel der Serie abgeschlossen und ob es eine 6. Staffel geben wird, sei scheinbar noch nicht klar. Sony Music hingegen hat nach der regulären POLDARK-Veröffentlichung im Jahr 2015 und der Deluxe-Version ein Jahr später nun noch ein 3-CD-Set mit dem Titel POLDARK – THE ULTIMATE COLLECTION veröffentlicht (wobei die Deluxe-Dreingaben teils mit Solisten wie Lang Lang hier merkwürdigerweise nicht enthalten sind). Dieses Set präsentiert von Komponistin Anne Dudley handverlesene Highlights aus allen fünf bisher veröffentlichten Staffeln der Serie. Hier kommt also viel Musik zusammen – über drei Stunden total – doch am Eindruck von 2015 hat sich nichts Grundlegendes verändert. Auch in dieser Form weiss die Musik für POLDARK zu beeindrucken und ist rundum kohärent und stimmig ausgestaltet. Die dramatischen Momente haben mit der Musik der Staffeln 4 und 5 zugenommen. Sprich, hier stimmt Dudley vermehrt auch bedrohliche, dunkle, jedoch weiterhin zurückhaltende Töne an. Aber merklich facettenreicher oder mitreissender wird das Gesamtpaket deshalb nicht. Es bleibt ein in sich stimmiges, ruhiges, edles Musikportät vom englischen Cornwall des 19. Jahrhunderts, dem die Fans nun noch länger lauschen können.
Wer Musik ähnlichen Stiles jedoch mit etwas mehr Schmackes wünscht, der
dürfte mit OUTLANDER inzwischen besser bedient sein. Mit Bear McCrearys Filmmusik für die TV-Serie OUTLANDER: THE HIGHLAND SAGA ist seit 2015 eine punkto Klangfarben vergleichbare Arbeit erschienen (auch alle Alben bis dato bei Sony Music veröffentlicht), doch McCreary wartet mit mehr Abwechslung und stellenweise willkommenen epischen «Ausbrüchen» auf, womit er einem emotional mehr zu fesseln vermag. Doch der POLDARK-Fan kommt an Dudleys feinem 3-CD-Set natürlich nicht vorbei und das Preis-Leistungsverhältnis ist hier absolut beachtlich. Daher bleibt es bei der gleichen Bewertung wie damals 2015:
Basil


KING RAT
John Barry, Intrada

Es gab eine Zeit, da klang John Barry noch nicht wie John Barry. Frisch, originell, nicht offensichtlich. Die Musik zu Bryan Forbes’ Antikriegsfilm KING RAT aus dem Jahr 1965 ist so ein Score, auch wenn das Hauptthema für Englischhorn natürlich Barry pur ist. Aber noch ist Barry nicht der Barry, der Themen oder Motive aneinanderreiht und fast unaufhaltsam repetiert – und das in einer Filmmusik, die von einem Hauptthema dominiert wird. Nur 36 Minuten Score sind für diesen 2 Stunden 15 Minuten Film zusammen gekommen, kluges Abschätzen wo Musik eingesetzt werden soll (und wo eben nicht) um die bestmögliche Wirkung zu erzeugen, unterscheidet diese Zeit bis etwa Mitte der 70er vom heutigen unoriginellen Blockbuster wall-to-wall Scoring.
Barrys Hauptthema findet in einem dramatischen Umfeld von Holzbläsern, Streichern, einem Hackbrettsound (mehr dazu im Booklet) und Cembalo statt. Selbst der kurze Marsch in «Dog Meat» und «Delicious» erscheint bedrückend und nicht jubilierend. Sehr Barryesque ist zweifellos der Spannungstrack «Touch and Go», der asiatisch, japanisch angehaucht ist. Interessant ist wie sich der Score von der ebenfalls auf der CD enthaltenen, speziell eingespielten Albumversion unterscheidet (mit am Auffälligsten ist das im «King Rat March» auf der Albumversion zu hören). Es ist fast, als hört man hier insgesamt etwas über 70 Minuten Musik, die sich ergänzen, anstatt nur ein wenig von einander abzuweichen.
Phil


PLAYMOBIL – THE MOVIE
Heitor Pereira, Sony Music

Der Kampf zwischen Lego und Playmobil hat sich nun aus den Regalen der Spielzeuggeschäfte auch auf die Kinoleinwände ausgeweitet. Während die LEGO Movies seit 2014 mit teils absurdem Witz das Publikum unterhalten können, ist PLAYMOBIL – THE MOVIE jedoch bei Kritikern und Kinogängern durchgefallen. Punkto Musik gibt es in positiver wie negativer Hinsicht kaum Auffälligkeiten. Der Komödien-Tausendsassa-Komponist Heitor Pereira liefert Durchschnittsware. Sowie der Film zwischen Genre-Reminiszenzen hin und her springt, so hüpft auch die Musik von einer Stilrichtung zur nächsten. Alles sicherlich filmdienlich, aber abseits der Bilder wohl noch am ehesten für Fans des Films – sofern es solche gibt – interessant. Die sieben Songs, mit denen das Album eröffnet, fordern die Toleranz stark heraus. Die Songs wurden von Pereira und Co. geschrieben, bevor das Drehbuch fertig war. Sprich, Pereira und sein Team waren hier scheinbar während langer Produktionszeit involviert. Doch das Ergebnis klingt einfach zu sehr «von der Stange» und nach Katie Perry-Gedudel, als dass irgendetwas davon wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde.
Basil


DOWNHILL RACER
Kenyon Hopkins, Intrada

Kenyon Hopkins’ Schaffen ist den meisten Filmmusikhörern weniger geläufig. Er komponierte den (wirklich) kurzen Score zum genialen 12 ANGRY MEN von Sidney Lumet oder zum Billiarddrama THE HUSTLER mit Paul Newman und arbeitete im Fernsehen an der Serie THE ODD COUPLE, ausserdem veröffentlichte er diverse Jazzalben. Der Score zum Skirennfilm DOWNHILL RACER, vor kurzem bei Intrada erschienen, war Hopkins letzte Kinoarbeit. Von seiner Musik blieb in Michael Ritchies nicht gerade anspruchsvollem Erstling – mit einigen tollen Bildern von Skirennfahrern ausgestatteten Bildern – für die grosse Leinwand allerdings nicht viel übrig, für den Komponisten muss das ein deprimierendes Erlebnis gewesen sein. Die CD präsentiert aber alles, was Hopkins für den Film mit dem damals kurz vor dem grossen Durchbruch stehenden Robert Redford in der Hauptrolle, geschrieben hat: Alternative Stücke, Versionen von Versionen (die, dann trotzdem nicht oder nur gekürzt im Film zu hören waren) und zwei Songs, die als source music dienten. Hübsche, kleine, abwechslungsreiche Musik mit einem feinen Liebesthema für Redford und seine Angebetete. Aber wie dem Film selber, wird es vermutlich auch dieser CD ergehen.
Phil


A LIFE LESS ORDINARY
David Arnold

Nach TRAINSPOTTING präsentieren Danny Boyle (Regie), Andrew McDonald (Produktion) und John Hodge (Drehbuch) einen weiteren Streifen, der aber diesmal seinen Schwerpunkt nicht auf Fixer und Fäkalien setzt, sondern moderat eine Kidnapping-Komödie erzählt. Der Raumpfleger Robert entführt die Tochter seines Chefs und verlangt Lösegeld. Der Vater beauftragt anschließend zwei Killer, die seine Tochter Celine befreien sollen. Hinter den Killern verbergen sich aber zwei himmlische Engel, deren Aufgabe es ist, Celine und Robert zu verkuppeln. Der Film bietet Sexappeal und eine Bildsprache, die ganz offensichtlich etwas von Quentin Tarantino hat.
Die Musik wurde von Ex-Punker David Arnold komponiert. Das halb-eingängige und unvollständig erscheinende Hauptthema passt zu den psychotischen Gedanken der Filmfiguren. Die Musik reitet stellenweise auf der damaligen Trance-Techno Welle und ist garniert mit einem Hauch „mystery“. Arnold hat sich mit Einfallsreichtum zurückgehalten; im Film liegt der musikalische Schwerpunkt ohnehin auf den vielen Songs, die natürlich als Sampler veröffentlicht wurden. Aufgetaucht ist der Score bisher nur als Bootleg, welches mit knapp zwanzig Minuten zwar spärlich ausgefällt, aber vollständig sein dürfte.
Fazit: Die CD muss man nicht haben; sie bietet aber einen schönen Einblick in die Anfänge von Arnolds musikalischen Schaffens.
Oliver


AMBITION
Leonard Rosenman, Caldera

Einen spannenden Ausflug ins Thrillerfach bietet Caldera mit der Premiere von Leonard Rosenmans AMBITION, einem Film mit Lou Diamond Phillips in der Hauptrolle, der auch das Drehbuch schrieb.  Beides, Film, LDP und elider auch die Musik gerieten seinerzeit schnell in Vergessenheit. Selbst Rosenman Kennern dürfte AMBITION wenig sagen, umso schöner gibt es jetzt die Gelegenheit diesen Score zu hören.
AMBITION ist, verglichen mit heute, ein Thrillerscore der alten Schule – und doch modern:  Orchestral, beklemmend, spannend, atonal, kaum thematisch hängen bleibendes (ein Motiv, das oft in den Holzbläsern zu hören ist, zB. in «A Good Friend of Mine» ist zu vermerken), umso interessanter Rosenmans Technik und Orchestrationen. Wie im Booklet zu lesen, hat Rosenman Regisseur Scott Goldstein sein damals aktuelles Konzertwerk «Foci» zum Reinhören nahegelegt, dem die Art der Komposition sofort gefiel und wusste, dass es in diese Richtung gehen sollte.
Feine Überraschung, davon darf es ruhig mehr geben!
Phil


CHERNOBYL
Hildur Guðnadóttir, Deutsche Grammophon

Hildur Guðnadóttir ist aktuell (Herbst 2019) in aller Munde bzw. Ohren. Die junge isländische Komponistin macht mit ihrer Arbeit für CHERNOBYL und JOKER viel von sich reden. Für CHERNOBYL hat sie den Emmy-Award gewonnen und am renommierten Filmfestival in Venedig wurde ihr Score für JOKER preisgekrönt. Das lässt natürlich aufhorchen, sorgt aber auch für einige Fragezeichen; es kam einem «Erdbeben» in der Filmmusikszene gleich – ähnlich den Begeisterungsstürmen für die Arbeiten von Atticus Ross und Trent Reznor anfangs 2010er Jahre, mit denen viele Mühe bekundeten. Wieso: weil Guðnadóttir für CHERNOBYL und JOKER mit avantgardistischen Konzepten aufwartete, jedoch nicht mit Musik im «klassischen Sinne». Das 35-minütige Album zu CHERNOBYL ist als CD eine Farce. Das kann sich keiner anhören wollen – mit Ausnahme der Chorpassage in «Vichnaya Pamyat». Guðnadóttir nahm für CHERNOBYL Soundeffekte in einem Atomkraftwerk in Litauen auf und vermischte diese mit eigenem Gesang und minimalem Piano- und Cello-Spiel, alles stark klanglich verfremdet, zu «Musik» für CHERNOBYL. Das mag zusammen mit den horrenden Bildern der vielgepriesenen HBO/Sky-Serie stellenweise funktionieren, aber als CD ist es nicht attraktiv und langweilig.
Basil

Anm. Phil: Die Miniseries unbedingt anschauen, etwas vom Besten was TV derzeit zu bieten hat. Erschreckend, ehrlich, apokalyptisch. 


MISSION: IMPOSSIBLE
Danny Elfman, La-La Land Records

Wie schön, dachte ich mir, als La-La Land die Veröffentlichung des gesamten Elfman-Scores für den Brian DePalma Film von 1996 verkündete und so schob ich erwartungsfroh CD 1 in den Player. Hm, kommt mir irgendwie bekannt vor, das Programm. Zu Ende gehört und CD 2 herausgeholt und nun endlich auch auf das Backcover geschaut: Aha! Disc 1 ist die alte Version von damals, nur Disc 2 ist die eigentlich interessante Sache dieser Veröffentlichung mit dem Score. Und ich freute mich doch auf irgendwie 2 Stunden frischer(er) Elfman-Action. Selber schuld, wenn man nicht genau liest, was man bestellt. Dennoch bietet die zweite Scheibe nun 65 Minuten Score mit etwas «previously unreleased» und deutlich mehr «contains previously unreleased material». Gefreute Sache, wenn auch keine weltbewegenden Ergänzungen. Fans des Films und von Elfmans Musik, er war leider nur beim ersten M:I mit von der Partie, werden an dem Release aber sicher ihre Freude haben. Für mich war’s eine selbst verschuldete leise Enttäuschung, an die ich mich inzwischen jedoch gewöhnt habe – also dreht MISSION: IMPOSSIBLE (der Score!) ab und an seine Runden im CD-Player.
Phil


19.11.2019