kurz und knapp 21

Es ist tatsächlich über ein Jahr vergangen seit dem letzten „kurz und knapp“ doch da sich hier die CDs gefährlich zu türmen beginnen und das Blickfeld zum imac Monitor beinahe Tunnelblickausmasse angenommen hat, war es an der Zeit eine neue Episode in Angriff zu nehmen, auch wenn der ein oder andere hier vorgestellte Score es verdient gehabt hätte mit einer ausführlicheren Einzelbesprechung bedacht zu werden.

 

RED SPARROW
James Newton Howard, Sony Classical

Ohne Umschweife: RED SPARROW ist der beste James Newton Howard seit MALEFICENT, alleine „Overture“, „Didn’t I Do Well?“ und „End Titles“ sind die CD alleine fast wert. Hier ist ein James Newton Howard zu hören, wie er uns 1995 mit RESTORATION überrascht hat, jedenfalls scheint die Abstinenz von Superheldenfilmen dem Komponisten keineswegs geschadet zu haben. Die restlichen Tracks sind mit subtilem Suspense, aber stets orchestral und teils mit Chor («Arriving at Sparrow School») ausgestattet. Howards Musik hat mich jedenfalls genügend neugierig gemacht um mir Francis Lawrences Film trotz der äusserst mässigen Kritiken und wenig Zuschauerzuspruch demnächst anzugucken. RED SPARROW ist auf alle Fälle ein Kandidat für ganz vorne in den „Best of 2018“ Listen und eine Musik für stille Geniesser. Andi wird demnächst eine Rezi zu THE NUTCRACKER AND THE FOUR REALMS schreiben.
Phil

 

 

THE SILENCE OF THE LAMBS
Howard Shore, Quartet Records

Die auf 1000 Stück limitierte Ausgabe beinhaltet 77 Minuten Musik, 20 Minuten mehr als die MCA CD von 1991. Die Musik von Howard Shore ist ein elementarer, nicht wegzudenkender Bestandteil in Jonathan Demmes grossartigem Thriller, umso überraschender damals das Auslassen des Scores bei den Oscarnominationen (der Film selber gewann fünf Academy Awards, darunter den für den besten Film). Die wichtigsten Tracks enthielt die alte Disc bereits, mit den zusätzlichen Tracks wird die Musik aber nicht weniger beklemmend und für Howard Shore Fans, insbesondere jene der früheren Werke, dürfte die CD ganz bestimmt genug Kaufanreiz bieten. Nach einem Ausflug ins Komödienfach mit SHE-DEVIL und einigen David Cronenberg Filmen war SILENCE OF THE LAMBS ein erstes richtig grosses Filmprojekt für Shore und ab jenem Zeitpunkt hätte er sicherlich massig Gruseliges vertonen können, Shore war aber klug genug sich seine nächsten Projekte, nach einer Reihe von Thrillern wie SINGLE WHITE FEMALE, mit Bedacht auszusuchen.
Phil

 

 

SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW
Edward Shearmur, La-La Land Records

Der Film war 2004 ein mutiger Versuch und ein Sprung ins pure Greenscreenzeitalter, eine Mischung aus Comics und Science Fiction, fast gänzlich ohne Bauten aber mit ganz viel Computeranimation auskommend, visuell damals zweifelsohne etwas spezielleres. Dennoch (oder deswegen?) versank SKY CAPTAIN an den Kinokassen und für seinen Macher, Kerry Conran, der enorm viel Zeit und Energie in das Projekt gesteckt hatte, blieb es bisher der einzige Spielfilm. Auch um Edward Shearmur ist es ein wenig ruhiger geworden, der Engländer ist zwar auch heute noch fleissig und war bis 2016 an der TV Serie DEVIOUS MAIDS tätig, aber der neuen Generation Filmmusikfans scheint er weit weniger geläufig.

Einer seiner besten Scores ist SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW. Die 106 Minuten Musik sind eine wahre Achterbahnfahrt an orchestraler Musik, thematisch geprägt, mitreissend und umwerfend orchestriert, ausserdem lohnen sich die zusätzlichen 60 Minuten Musik der La-La Land Veröffentlichung absolut, selbst wenn man die 2004er Sony CD bereits besitzt, umso mehr aber wenn man Shearmurs schwungvollen Score noch nicht kennen sollte – die Scheibe ist nach wie vor erhältlich. Dazu das fantastische Booklet geschrieben von Didier C. Deutsch, ein Rundumpackaging, das einfach stimmt!
Phil

 

 

STAND AND DELIVER
Craig Safan, Varèse Sarabande Club

Als Craig Safan die Musik zum biographischen Drama mit Edward J. Olmos und Lou Diamond Philips über einen Lehrer schrieb, der alles daran setzt seinen Schülern mit hispanischem Hintergrund in den Sommerferien Mathe beizubringen damit sie ihren Abschluss schaffen, hatte er bereits solche Fanfavoriten wie THE LAST STARFIGHTER oder (den nicht zu Unrecht gefloppten) REMO WILLIAMS: THE ADVENTURE BEGINS in der Tasche. Für STAND AND DELIVER schrieb Safan einen kurzen, hauptsächlich elektronischen Score, der mit Gitarren und Quena, einer traditionellen südamerikanische Flöte und einem Saxophon angereichert wurde. Die Ende letztes Jahr von Varèse neu aufgelegte und im Encore Programm platzierte CD entspricht übrigens exakt dem 1988er Album.
Phil

 

 

ALIEN 3
Elliot Goldenthal, La-La Land Records

90 Minuten Score, das 1992er Album sowie drei „Alternates“ hat La-La Land für diese Doppel-CD zusammengestellt, ein sattes Programm also und zweifelsohne einer der holy grails der 90er, der hiermit seine Gesamtveröffentlichung erhielt. Für den in der klassischen Musik beheimateten Elliot Goldenthal war Finchers ALIEN 3 der Aufsehen erregende Durchbruch in der Filmmusik (zuvor schrieb er etwa PET SEMETARY und DRUGSTORE COWBOY) und alsbald wurde er, der unter John Corigliano studierte, bei vielen als die grosse Hoffnung und frischen Wind in der Filmmusik bewertet. Sein komplexer, dichter und mitunter atonaler Stil machte seine Musiken zu etwas Besonderem. Schade ist es seit einiger Zeit recht ruhig geworden um Goldenthal. ALIEN 3 reiht sich mit seinem schweren, düster experimentellen Ambiente in die Serie ausgezeichneter Alien-Kompositionen ein, die von Goldsmith gestartet, von Horner weitergeführt wurde und auch bei John Frizzell bestens aufgehoben war. Fans der Reihe und jene, die Goldenthals Musiksprache , der an diesem Score über den Zeitraum eines Jahres arbeitete, mögen, werden um die Anschaffung dieses 2-CD Sets nicht herum kommen – und ja, natürlich wird es von Goldenthals spezieller Fox-Fanfare eröffnet!
Phil

 

 

NATE & HAYES
Trevor Jones, Intrada

Es gibt Filme, die kennt man nicht. So einer scheint NATE & HAYES aus dem Jahr 1983 zu sein. Tommy Lee Jones, zuvor mit COAL MINER’S DAUGHTER erfolgreich, spielt in diesem Mitte des 19. Jahrhunderts im Südpazifik angesiedelten Abenteuerfilm die Hauptrolle. Unter den Drehbuchautoren findet man einen gewissen John Hughes, der wenig später mit „coming of age“ Filmen wie BREAKFAST CLUB und Komödien wie FERRIS BUELLER’S DAY OFF Erfolge feiern sollte. Trevor Jones war zu jener Zeit noch frisch im Filmmusikgeschäft und hatte EXCALIBUR und den feinen THE DARK CRYSTAL im Portfolio. Seine Musik zu NATE & HAYES ist eine unterhaltsame, orchestrale Angelegenheit, die mit dem famosen Klangkörper des London Symphony Orchestra eingespielt wurde und aus Jones bester Phase stammt. Obwohl sich die 78 Minuten Score auf 42 Tracks aufteilen, lässt sich Jones› Musik flüssig anhören, vielleicht hätten hier aber 60 Minuten ausgereicht. Insbesondere die Notwendigkeit einer zweiten CD mit ihren knapp 17 Minuten, die lediglich Alternates und “Ethnic Percussions“ enthält, ist nicht nachvollziehbar. So oder so, Intrada hat uns hiermit einen bisher wenig bekannten Trevor Jones serviert – und einen Gelungenen dazu.
Phil

 

2.11.2018