Islands in the Stream

Ganz überraschend, ohne grosse Vorankündigung, brachte FSM im Januar die Orignaleinspielung zu Islands in the Stream heraus. Die bisher erhältlichen CD und LP, die vor noch ncht allzu langer Zeit bei Intrada nochmals neu aufgelegt wurde, war ja bekanntlich eine Einspielung, die Goldsmith während den Aufnahmen zu Lionheart in Budapest getätigt hatte. Ebenso bekannt dürfte sein, dass die Musik zu diesem recht poetischen und schön verfilmten Streifen (nach einer Novelle von Ernest Hemingway mit einem grossartigen George C. Scott) eine von Goldsmiths liebsten Arbeiten ist.

Den Film habe ich vor kurzem wieder einmal auf DVD gesehen und wenn er auch seine Schwächen hat, besonders im letzten Drittel, so ist es doch ein starkes Porträt des eigenwilligen Künstlers Hudson, der vor seinen Ehe- und Identitätsproblemen auf die Bahamas geflohen ist um zur Ruhe zu kommen. Die Ankunft seiner drei Kinder und die von seiner einstigen Ehefrau überbrachte Todesnachricht des ältesten Sohnes verändern sein Leben allerdings nachhaltig.

Die Filmeinspielung unterscheidet sich doch erstaunlich deutlich von der Ungarnversion: Sie erscheint gradliniger, irgendwie ausgewogener und von der Dynamik her weniger ausufernd. Goldsmith hat bei der Neueinspielung wohl bewusst mehr auf Schwung und musikalischen Ausdruck geachtet. Es ist übrigens interessant, dass sich unter den filmmusicjournal.ch Autoren niemand mit uneingeschränkter Begeisterung über Islands äussert. Unter anderem „klickte“ bisher das vielfach verwendete, ausgedehnte 8-Noten Hauptthema für den Scott Charakter und das prominent eingesetzte auf- und abblubbernde Motiv, das an die wogende See erinnert, nicht.

Interessanterweise empfand ich beide Motive in der Filmeinspielung als ein wenig dezenter verarbeitet und interpretiert. Beide erscheinen also ein Stückchen weniger „aufdringlich“, genug um sich feiner in das Gesamtpaket Islands in the Stream als Filmmusik einzufügen.

Da wo die Ungarn-Einspielung manchmal vielleicht etwas schwülstig erscheint (und das meine ich nur im Vergleich mit der neuen CD), bleibt die FSM-Version in einem stilleren Rahmen, büsst aber deshalb nicht an Dramatik ein.

Da ich das alte Soundtrack Library Bootleg, auf dem bereits die Filmeinspielung präsentiert wurde, nicht habe, kann ich nicht sagen, inwiefern sich die Stücke unterscheiden. Das Bootleg hatte jedenfalls nur 9 Tracks bei 53 Minuten, während die FSM 13 Tracks bei 53 Minuten enthält. Ich spekuliere mal, dass für die SL CD einfach ein paar Tracks zusammengefasst wurden.

Von der Intrada CD unterscheiden sich die Stücke The Boys Arrive, Is Ten too Old?, Night Attack und Eddy’s Death von den Längenangaben her am deutlichsten. Doch es gibt eigentlich nur eine Passage, die Goldsmith für das alte Intrada-Album ausliess: Der tolle, energiegeladene Teil mit den knackigen Blechbläsern und den wirbelnden Streichern aus Eddy’s Death, der die Verfolgung der kubanischen Küstenwachboote untermalt, ca. 2 Minuten lang. Laut Booklet war Goldsmith hier mit der Leistung der ungarischen Musiker nicht zufrieden, weshalb er auf diese Passage verzichtete. So beginnt Track 12 in der Intrada-Version bei ca. 2:10 der FSM-Version.

Die beiden Hauptbestandteile der Musik sind im ersten Track Main Titlegleich von Beginn weg zu hören. Goldsmith eröffnet den Score mit dem „Meeresmotiv“ ehe das zumeist traurig und nachdenklich anmutende Hauptthema erklingt, oft von Klarinette, Oboe, Querflöte oder vom Horn gespielt. Ein weiteres Merkmal des Scores, ebenfalls im ersten Stück und in Is Ten too Old zu hören, ist das beschwingt verspielte, karibische Kleid, in das Goldsmith sein Thema verpackt.

Grossartige Spannungsmusik liefert Goldsmith im zweiten Teil von Is Ten too Old?, jener Szene in der der älteste Sohn bem Badespass von einem Hai angegriffen wird und Hudson mit seiner Schrottflinte das Tier mehrmals verfehlt, ehe Eddy ihm den Garaus machen kann.

Einer der Höhepunkte von Islands in the Stream ist das formidable The Marlin mit seinem dramatischen Aufschwingen zu Beginn des Angeltrips, gefolgt von spannender Ruhe, kurzes Aufblitzen der Trompete, zurück zum Geduldspiel, Aufbäumen des Blechs, wiederum zurückhaltendes Warten ehe Hoffnung und erwartungsvolle Spannung sich abwechseln. Doch Hudsons mittlerer Sohn, der seinen Vater eigentlich verachtet, verliert den stundenlangen Kampf mit dem Speerfisch und so endet das Stück in getrübter, gedämpft gelöster Stimmung mit Hudsons Thema. Auch im Film wirkt die Musik famos (obwohl rund anderthalb Minuten nicht verwendet wurden) und überspielt die qualitativ schlechten Aufnahmen des Fisches, die sich deutlich vom Rest des sonst prächtig fotografierten Films unterscheiden – es wurden hierfür Archivaufnahmen verwendet.

In The Refugees hören wir eine interessante Variation des Hauptthemas und des Seemotivs (ab ca. 2:15) mit einer jüdischen Färbung, das mir so bisher noch nicht aufgefallen ist. Wirklich fein gemacht.

Islands in the Stream ist eine Musik mit einer bedrückenden, manchmal verhaltenen Schönheit, die von ihrem Hauptthema und dem gelungenen musikalischen Setting, der Verbindung der See (Bond und Kaplan nennen hier Debussys „La mer“ als Inspirationsquelle) mit dem Protagonisten und dessen Erinnerungen und Gedanken, seiner neu auflebenden Liebe zu seinen Söhnen und der Tragik lebt.

Begleitet wird die CD von einem wiederum gelungenen Booklet mit Liner Notes von Jeff Bond und Alexander Kaplan. Es ist interessant zu lesen, das doch einige Passagen im Film nicht bzw. anders verwendet wurden, was beim Schauen auch irgendwie den Eindruck erweckte, dass die Filmeinspielung sich noch deutlicher von der Neueinspielung unterscheiden würde.

Phil, 3.2.2010

 

ISLANDS IN THE STREAM

Jerry Goldsmith

Film Score Monthly Silver Age Classics
FSM Vol. 12 No. 20

53:17 Min. / 13 Tracks

Limitiert auf 5000 Stk.

 

 

 

 

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