Iron Will (Intrada)

IRON WILL war schon als 30 Minuten CD eine wahrhaftige, leider aber sehr kurze Tour-de-force, die Langversion ist nicht weniger pfiffig, genauso verspielt, thematisch, energiegeladen und noch mehr! Ja klar, wie schon damals ist auch in dieser Version ganz viel Inspiration zu hören: SILVERADO, EMPIRE OF THE SUN, YOUNG SHERLOCK HOLMES, INDIANA JONES, Williams, Broughton… Aber seien wir ehrlich, wenn es so gut gemacht ist wie zum 1994er Disney Film (es war McNeelys erster Score für einen sogenannten big budget Film), dann nehmen wir das mit Augenzwinkern und Handkuss, am besten gleichzeitig.

McNeely versammelt eine ganze Handvoll Themen und Motive, wuchtig und prächtig, spielerisch leicht und locker flockig, voller Energie, pulsierender Orchesteraction und das alles farbenfroh orchestriert. Ein wichtiges Motiv ist die Viernotenfolge, die im Film vom Protagonisten auf einer kleinen Flöte gespielt eine wichtige Rolle einnimmt und das McNeely immer häufig zitiert. Zu hören ist es gleich zu Beginn des «Main Title» und es bildet das Fundament des Familienthemas (Will verwendet Vaters Flöte nach dessen Tod). Für das Rennen hat McNeely eigene Themen entwickelt («The Race Begins»), ebenso gibt es exzellentes Material für die Reisesequenzen («Trip to Canada»). Ein bedrückendes, schwer anmutendes Motiv ist in «My Sled’s Busted» und «The Final Day» zu hören. Um all diese Motive und Themen dreht sich die Musik, fulminant gemacht und einen Score mit grossem Wiedererkennungseffekt und Hörspass ergebend.

Mit etwas Wehmut erinnere ich mich an einen erlebnisreichen Besuch in L.A. und der Begegnung mit einem japanischen Filmmusikfan, der aufgeregt berichtete, er sei an einer Recording Session von Joel McNeely gewesen. Die bekannte Reserviertheit der Japaner war wie vom Erdboden verschwunden als er mit Händen und Füssen und unbändiger Begeisterung davon erzählte wie grossartig die Musik gewesen sei. Nach leichten Verständigungsproblemen und etwas Nachforschung stellte sich diese Session als Aufnahmen zu IRON WILL heraus. Zu schade kam die davon erschienene Varèse Sarabande Disc damals im üblichen Halbestundeformat heraus, viele Hörer hätten sich eindeutig mehr IRON WILL gewünscht. Der Filmmusikfan ist jedoch, wie die Geschichte zeigt, ein geduldiger Zeitgenosse und darf 25 Jahre später doch noch die volle Dosis Joel McNeely geniessen. Zu gerne wüsste ich heute was der freudige und freundliche Sammler zur Intrada Veröffentlichung sagen würde, leider aber ging der Kontakt nach ein paar Briefwechseln verloren. 

Nach 70 Minuten toller Filmmusik fragt man sich, wie es passieren konnte, dass Joel McNeely nie den richtig grossen Durchbruch schaffte und eine Zeit lang unzählige TINKER BELL Animationsfilme vertonen musste. Blättern wir etwas zurück ins Jahr 1998 als mit grossem Brimborium die Filmversion von THE AVENGERS (nein, das hat nichts mit den Marvel Superhelden gemein, in unseren Breitengraden kennt man die Serie als «MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE») mit Sean Connery, Uma Thurman und Ralph Fiennes angekündigt wurde – und mit ihm im Boot Joel McNeely. Der Film war nicht nur gewaltig schlecht, er floppte ebenso gigantisch. Den im gleichen Jahr erschienenen SOLDIERS und VIRUS erging es gleich, danach folgten die DARK ANGEL Jahre und darauf nur noch Zweit- und Drittware für den Komponisten von STAR WARS: SHADOW OF THE EMPIRE, TERMINAL VELOCITY und einiger Episoden der gerne gesehenen THE YOUNG INDIANA JONES CHRONICLES Serie. So schnell geht es und man ist in Hollywood beinahe weg vom Fenster. Zuletzt war es mitunter auch Seth MacFarlane zu verdanken, dass der Veteran mit A MILLION WAYS TO DIE IN THE WEST und der Science-Fiction Serie THE ORVILLE (eine feine Doppel-CD zu Season 1 erschien letztes Jahr bei La-La Land Records) einem jüngeren Publikum erhalten blieb.

Erfreuen wir uns also an diesem IRON WILL Album, das auch noch rund 8 Minuten Bonusmaterial in Form von Traditionals und einer etwas speziellen Version von Bizets «Carmen» enthält.

Phil, 22.5.2019

 

IRON WILL

Joel McNeely

Intrada Special Collection

36 Tracks
77 Min.