Inception

Ein Blick in die Filmographie von Regisseur Christopher Nolan lässt zwei Dinge sofort erkennen: (1) Der Mann hat mit jedem seiner Filme seit Memento (2000) (die zwei älteren Werke sind dem Rezensenten nicht bekannt) fantastische und meist ausgeklügelte Unterhaltung geboten und (2) die Filmmusiken sind selten mit starken Themen und Positionen vertreten gewesen und dienten mehrheitlich als eine weitere Schicht im Sounddesign. Inception (2010) macht nur bedingt eine Ausnahme.

Wenn man sich die Beiträge von Komponist David Julyan für Memento, Insomnia (2002) und The Prestige (2006) durch den Kopfe gehen lässt (sofern das überhaupt möglich ist) bzw. im CD-Player anhört, dann dürfte einem besonders die Themenabstinenz und deren pure Bedachtheit auf Funktionalität auffallen. Keiner dieser Scores vermochte auf CD zu unterhalten, trug im Film jedoch erheblich zur Atmosphäre bei.

Mit dem Engagement von Hans Zimmer und James Newton Howard für Batman Begins (2005) wurde an diesem Filmmusikeinsatz und ihrer Rolle bis auf wenige Ausnahmen bezüglich den Andeutungen eines „Batman“-Themas und dem tragischen Kernthema, welches in der Fortsetzung The Dark Knight (2008) zum „Harvey Dent“-Thema wurde, kaum eine Änderung vorgenommen. Wie schon die Julyan-Werke, so sind auch die Scores zu den tollen Batman-Filmen primär im Film wirklich stark. Als reines Hörerlebnis vermögen sie jedoch kaum über die ganze Lauflänge zu unterhalten. Einen so starken, ja fast unerlässlichen Bildbezug hat auch Hans Zimmers jüngste Arbeit zu Nolans Inception. Das soll nicht heissen, dass die Musik nicht toll anzuhören ist, doch muss für die Bewertung definitiv zwischen „Musik im Film“ und „Musik auf dem Album“ unterschieden werden. Letzteres fällt gegenüber ersterem leider etwas arg ab.

Ein Filmkonstrukt wie Inception würde mit einem vollorchestralen und mit furiosen Themen besetzten Score wohl nicht einher gehen können. Die verträumten, atmosphärischen und anspruchsvollen Elemente profitieren und bedingen einen Score, wie ihn Hans Zimmer zweifelsohne gekonnt geliefert hat. Zimmer setzt auch hier stark auf Elektronik, stellenweise harte Perkussion und eine grosse Bläserbesetzung. Ähnlichkeiten bzgl. dem Sounddesign zu seinen und Howards Batman-Musiken sind nicht von der Hand zu weisen, doch sind sie dezent und fallen daher wohl nicht ins Gewicht.

Zu diesem Ensemble gesellt sich Gitarrist Johnny Maar, entsprechend spielt das E-Gitarrenspiel auch eine wichtige Rolle und das Stück der Französischen Chanson-Sängerin Edith Piaf, „Non, je ne regrete rien“, erhält eine originelle – und besonders nach dem Film wirklich Sinn machende – Einbettung (auf dem Album nur in „Waiting for a Train“ zu hören). Diese orchestralen, Solo- und Source Track-Elemente bilden ein Rückgrat des vorliegenden Albums. Damit ist die Originalität gegeben, jedoch noch nicht wirklich ein packendes Thema.

Ohne den Film gesehen zu haben und nach dem ersten Hördurchgang, dürfte entsprechend wohl so mancher die CD unbeeindruckt bis frustriert ins Regal neben Henry 4 (2010; co-komponiert mit Henry Jackman) stellen. Das hätte der Score aber nicht verdient, doch bleibt er auch nach mehrmaligem Hören und nach dem Filmgenuss wohl eher ‚anspruchsvoll’.

Hans Zimmers Inception ist über weiteste Strecken atmosphärisch. Einzig die Stücke „Dream is Collapsing“, „Mombasa“ und „Time“ warten mit dominanten und packenden Actionpassen bzw. (im Fall von „Time“) mit berührendem Klavierspiel auf. In „Time“ präsentiert Zimmer eine sehr berührende Version des Themas für die Beziehung zwischen Cobb und Mal, welche zusammen mit den Bildern wirklich ans Herz geht. Diese Stücke können relativ gut ohne die dazugehörigen Bilder unterhalten. Doch der Rest der CD scheint ohne die Bilder (und zumindest der Erinnerung an die dazugehörigen Bilder) etwas  vor sich hin zu wummern.

Fazit: Hans Zimmers (und Lorne Balfes) Musik zu Inception kann als reines Hörerlebnis wohl nur den Zimmer-Fans und den Filmbegeisterten uneingeschränkt empfohlen werden. Das Konzept hinter der Musik ist faszinierend, doch ist mit diesen Überlegungen und der dem Score zugedachten Rolle ein pures Hörvergnügen kaum möglich. Im Zusammenhang mit dem Film ist die Musik toll gelungen und vermag das filmische Ereignis auch absolut zu verstärken und voranzutreiben. Doch auf der CD wirken etliche Minuten einfach zu sehr lethargisch und ‚unengagiert’. Ein Verdikt, welches der Score aufgrund der Wirkung im Film abschliessend jedoch nicht verdient hat. Daher:

Musik im Film: sehr gut
Musik auf dem Album: na ja!
Abschliessend ein: gut

Ps.: Nun, es ist ein Zimmer-Score und ein Nolan-Film. Entsprechend fand Film und CD beim Publikum Anklang, was Warner Music. dazu veranlasste, auf der offiziellen Page zum Soundtrack zu Inception zwei Bonus-Tracks, „Projections“ und „Don’t Think about Elephants“, zu veröffentlichen. Beide bieten keine neuen musikalischen Ideen und dienen lediglich der ‚Komplettierung’ des Hörerlebnisses. Da die Tracks jedoch gratis angeboten wurden und den Rezensenten bis dato nach Angabe der Mail-Adresse auch noch keine Spam-Flut erreicht hat, ist das ein faires und löbliches Angebot.

Basil, 24.8.2010

 

INCEPTION

Hans Zimmer, Lorne Balfe

Warner Music

49:13 Min. / 12 Tracks
(2 Bonus Tracks als download only erhältlich)

 

 

 

 

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