The Counterfeit Traitor

Alfred Newman

Kritzerland KR 20017-9

64:20 Min. / 23 Tracks

Limitiert auf 1500 Stk.

Alfred Newman ist untrennbar mit 20th-Century-Fox verbunden, wo er während zweier Jahrzehnte als mächtigster und einflussreichster Musikdirektor der Filmbranche tätig war. 1960 verliess er das Studio, um fortan als freischaffender Komponist und Dirigent seine Brötchen zu verdienen. Und obwohl er bis zu seinem Tod im Jahre 1970 nur noch eine Handvoll Filmmusiken schuf, gehört die Mehrheit davon zu den Klassikern des Komponisten, sei es The Greatest Story Ever Told, Nevada Smith oder Airport.

1962 schrieb Newman nebst dem superben Westernscore für How The West Was Won auch eine beachtenswerte Musik zum nicht so geläufigen Weltkrieg-2-Spionagethriller The Counterfeit Traitor mit William Holden und Lilli Palmer. Der auf Tatsachen beruhende Paramount-Film handelt von einem in Schweden lebenden Amerikaner, der von den Alliierten dazu erpresst wird, deutsche Ölraffinerien auszuspionieren.

Stilsicher wie gewohnt verzichtet Newman auf geläufige Kriegsfilmklänge im Allgemeinen und teutonische Nazimusik im Speziellen, sondern schafft ein Netz aus auf hintergründiger, tiefsinniger und zumeist zurückhaltender Dramatik, mit der ein ebenso schönes wie tragisches Liebesthema unentrinnbar verknüpft ist. Zur gelegentlichen Auflockerung der Stimmung dienen ein paar dazwischengestreute Walzer.

Schicksalsträchtige Fanfaren eröffnen den Main Title, den man sich als für Newman typischen, herben Marsch in der Tradition von Conquestaus Captain From Castile oder des Hauptthemas aus The Bravadosvorstellen kann. Das Thema kommt im Verlauf des Scores eher dezent zum Einsatz, hat aber in Son of a Traitor immerhin noch einen fulminanten Auftritt.

Die aussichtslose Beziehung des Helden zu einer deutschen Agentin generiert mit Marianna eines der erlesenen Liebesthemen Newmans; dass hier Paul Francis Webster als Co-Komponist genannt wird, lässt den Schluss zu, dass wohl eine Vokalversion geplant war; wenn eine solche existieren sollte, hat sie es jedoch zumindest nicht auf diese CD geschafft.

Zunächst als Source-Musik in Form von Tanzmusik für Akkordeon und Gitarre, aber auch Salon-Orchester, erhält Marianna immer mehr den Status des tragenden emotionalen Elements und rückt schliesslich phasenweise in den Mittelpunkt des musikalischen Geschehens. So etwa in To Love and Part im herzzerreissenden Zusammenspiel von Streichergruppen und -Solisten (Newman gelingt es hier sogar recht gut, das Paramount-Orchester auf den unvergleichlichen Fox-Streichersound zu trimmen), oder in Execution and Aftermath, wo Trauer und Hoffnungslosigkeit einhergehen.

Dies kann bei sensiblen Hörern ‒ im Verbund mit einem wiederkehrenden, bleischweren und mahnenden Fünfton-Motiv ‒ vermutlich leichtere Depressionen auslösen, aber wer bis zum Schluss durchhält, wird dank eines hymnischen und vorwärtsgerichteten Themas in Escape From Denmark und Journey’s End aus dieser Stimmung wieder herausgerissen. Daher gilt: obwohl bei The Counterfeit Traitor viel mitgelitten werden muss, stirbt auch hier die Hoffnung zuletzt.

Kritzerland bringt diesen Score als offizielle Erstveröffentlichung, aber der Absatz blieb bisher unter den Erwartungen von Bruce Kimmel. Eigentlich verwunderlich bei dieser qualitativ hochstehenden Musik. Wer sich und auch der Sammlergemeinde punkto künftige Veröffentlichungen von Golden-Age-Scores etwas Gutes tun will, dem sei der Kauf dieser Scheibe ans Herz gelegt. Wer der sinfonischen Filmmusik jener Epoche zugetan ist, wir schwerlich enttäuscht sein, nicht zuletzt auch wegen der Klangrestauration, die bis auf ein paar wenige, wohl nicht zu korrigierende Unreinheiten erstaunlich gut ausgefallen ist.

Andi, 7.4.2011