Amundsen

Wie der Titel es erahnen lässt, in AMUNDSEN geht es um das Leben und Wirken des norwegischen Forschers und Entdeckers Roald Amundsen. Wer hier also einen Film über das legendäre und tragische Rennen um den ersten Menschen am Südpol erwartet, der dürfte vielleicht leise enttäuscht werden. Davon gibt es vielleicht 30 Minuten zu sehen. Aber Amundsen, der Mensch, ist durchaus nicht weniger interessant. Seine unnahbare Art, sein fester Wille über Leichen zu gehen, um seine Ziele zu erreichen, das Verhältnis zu seinem Bruder (der lange Zeit die Finanzen Roalds und der Forschungsreisen managte) und die strapazierten Beziehungen zu seinen Geliebten – nicht zu vergessen natürlich Amundsens andere Versuche Berühmtheit zu erlangen: Mit dem Flugzeug den Nordpol erreichen in einer Zeit als Flugzeuge alles andere als sichere Reisegefährte waren, die Reise mit dem Luftschiff und der berühmt-berüchtigte Aufenthalt auf einem Forschungsschiff um die Strömungen um Grönland zu erforschen.

Einige beschreiben Amundsen als warmherzig und gütig, der Film zeigt definitiv ein anderes Bild. Wir sehen hier einen kühlen, berechnenden und für seine Mitmenschen manchmal unnahbaren, verbitterten Mann. Regisseur Espen Sandberg packt viel Information in seinen zwei Stunden Film. So viel, dass er oft zu wenig in die Tiefe gehen kann, was ihm vor allem von norwegischen Kritikern auch vorgeworfen wurde. Einerseits sahen sie ihren Nationalhelden demontiert, andererseits gefiel vielen nicht, dass die grossartige Leistung, das Erreichen des Südpols, nur kurz abgehandelt wurde und wieder anderen ist der Film insgesamt zu oberflächlich. Vorgeworfen wird den Machern auch, sich nicht bei den geeigneten biografischen Vorlagen bedient zu haben. Ganz unrecht haben sie nicht: Für ein solch vielschichtiges Thema, hätte man entweder mehr Zeit haben müssen oder sich auf weniger Ereignisse konzentrieren sollen.

Trotzdem ist dem Regisseur von KON-TIKI und PIRATES OF THE CARIBBEAN: DEAD MEN TELL NO TALES ein Einblick in eine Person gelungen, den gerade wir in Mitteleuropa eher nicht von dieser Seite gekannt haben dürften. Das macht diesen Biopic interessant und mitunter kurzweilig genug. Zu Gute halten darf man Sandberg jedenfalls, der hier erstmalig ohne seinen Regiepartner Joachim Rønning tätig ist, dass von einer eindimensionalen Heldenverehrung abgesehen wurde. Herauszuheben ist ausserdem die Leistung von Pål Sverre Hagen in der Titelrolle.

AMUNDSEN ist keine tiefschürfende Biografie und bisweilen springt der Film nur von Ereignis zu Ereignis – doch wenn Amundsen gegen Schluss des Films zu seiner letzten Reise aufbricht, in seinen Mitte Fünfzigern, gezeichnet von den Strapazen vorheriger Trips (er sieht – auch auf Originalfotos – eher wie ein 70 Jahre alter Mann aus), so weiss der Zuschauer immerhin ein wenig mehr von dieser Person, auch wie sehr ihn schmerzte wie die Engländer damals, als er vom Südpol zurückkehrte, mit ihm umgingen und die Leistung Scotts, der den Südpol nach Amundsen erreichte und auf dem Rückweg den Tod fand, als Heldentat feierten.

Musikalisch zeichnet hier der Schwede Johan Söderqvist, mit dem Sandberg beim Oscar nominierten KON-TIKI zusammenarbeitete, verantwortlich. Die Musik ist eine Mischung aus experimentell gestalteten Klängen für die unendliche, fremdartige Welt der Antarktis und traditionellerer musikalischer Umgebung vor und nach der Südpolreise, für die beiden Brüder und Amundsens sowie die nicht vom Glück gesegneten Beziehungen. Von den rund 98 Minuten Musik, die im Film zu hören sind, ist auf der Perseverance/MovieScore CD eine Auswahl von 55 Minuten Dauer enthalten.

Phil, 24.11.2019

AMUNDSEN

R: Espen Sandberg

D: Pål Sverre Hagen, Christian Rubeck, Katherine Waterstone u.a.

Musik: Johan Söderqvist

Verleih: Ascot Elite

Erscheinungsdatum: 20.11.2019