An American Tail (Intrada)

1986 war es als mich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein Zeichentrickfilm ins Kino zog. Schuld daran war nicht der Zeichentrick an sich, ein Metier das mir weniger zusagt, sondern der Stempel «Steven Spielberg», Amblin und ein junger, hoffnungsvoller Filmkomponist der mit BRAINSTORM, KRULL, GORKY PARK, COCOON, seinen STAR TREK Scores und ALIENS Fans in seinen musikalischen Bann zu ziehen vermochte. 32 Jahre jung war James Horner damals und händelte Blockbuster mit einer scheinbaren Leichtigkeit, er, der sich nicht wie ein Goldsmith oder Williams seine Sporen im TV erlernen und abverdienen konnte, dafür aber bei Roger Corman unterkam und dort sein filmmusikalisches Rüstzeug holte.

Im Jahr von AN AMERICAN TAIL hatte Horner es mit schwierigen Produktionen wie ALIENS und DER NAME DER ROSE zu tun, da erschien die Geschichte der Mauswanderfamilie, die im «There are no cats» in Amerika ihr Heil und Glück suchen, gerade richtig. Die Songs, geschrieben zusammen mit Barry Mann, getextet von Cynthia Weil, spielen zwar eine wichtige Rolle und «There are no Cats in America», «Never say Never», «A Duo» sind zauberhafte Beispiele von Zeichentricksongs ohne Disneykitsch – das tolle «Somewhere out There» wurde bei den Oscars in der Nominationsliste aufgeführt – doch ist es Horners Score, der die Mousekewitz Familie zusammenhält, Traurigkeit und Hoffnung hervorruft und den russischen Einwanderern ihr musikalisches Idiom gibt. Das gelingt in diesem bildschönen und abwechslungsreichen Horner Score, in den nur «Somewhere out There» seinen Weg findet, ansonsten «erfindet» der Komponist eine Musik, die uns an Russland erinnert, böse Kosakenkatzen untermalt, Schiffe in stürmischer See begleitet, fiese, betrügerische Rattenkatzen wiedergibt und Familie und Freundschaft unterstreicht. Das alles schafft Horner in seinen 57 Minuten reiner Scorezeit und er bringt es in der ihm eigenen, verspielt orchestrierten und doch ernsthaften Art und Weise zu Stande, einen Zeichentrick als Film und nicht als Cartoon zu präsentieren, ganz so wie es einst Jerry Goldsmith, der wegen Terminkonflikten für Fievel absagen musste, bei THE SECRET OF NIMH, ebenfalls ein Don Bluth Film, handhabte. Die einstige arg kurze LP (31 Minuten Score plus Songs) löste bereits ansatzweise dieses Gefühl aus, doch mit dieser lange herbei ersehnten Veröffentlichung macht AN AMERICAN TAIL einen wuchtigen und wichtigen Satz und die alte LP vergessen.

Mit AN AMERICAN TAIL haben die Macher und James Horner damals etwas ganz besonders geleistet, das sie fast nicht mehr zu toppen im Stande waren, nicht mit dem Sequel FIEVEL GOES WEST, etwas später fast mit LAND BEFORE TIME, der uns ja vielleicht in naher Zukunft in Langfassung präsentiert wird. Bis dahin vergnügt uns der verspielte, leichtfüssige, erfrischende und warmherzige AN AMERICAN TAIL mühelos die Wartezeit. Für Horner war AN AMERICAN TAIL der Start einer ganzen Reihe animierter Abenteuer (siehe auch BALTO), alleine deshalb hätte ich mir ein bisschen mehr rundum Infos zur Filmproduktion und Entwicklung im Booklet gewünscht.

Phil, 20.3.2019

AN AMERICAN TAIL

James Horner

Intrada ISC

78 Min.
26 Tracks